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[ Band 4 Brief 35: Caroline an Humboldt [Wien], 19. Julius 1813, abends 11 Uhr ]
und Napoleons großer Zorn in Dresden hat zuerst die Vermutung eines bedeutenden Unglücks rege gemacht. Mache nur, daß die Nachricht bald erscheine in den Zeitungen, damit sich das Publikum in langen Zügen daran ergötze. Oh, man schlägt die Leute noch lange nicht mit den Waffen, mit denen sie auch da (in den Zeitungen) geschlagen werden sollten. Alle die hämischen Artikel im Moniteur, der Vergleich Berlins mit Paris in den Jahren 1792 und 93 ist sehr boshaft. Ich wünschte sehr, daß man — nicht schimpfte, aber immer das Ungegründete, Boshafte, teuflisch Erlogene so recht aufdeckte, denn leider gibt es doch noch immer Menschen, die glauben, eine avancierte Behauptung ist Wahrheit, wenn man nichts daraus erwidert. Zwei preziose Anekdoten muß ich Dir doch schreiben. Beide stammen von Balacheff, dem Minister der Polizei, und un- begreiflich ist es, wie Kaiser Alexander so etwas nicht verbreiten läßt. Napoleon ließ sich in Rußland durch seine Vorläufer und Helfershelfer als einen unechten Sohn Katharinas II. bei dem gemeinen Volk verkündigen und hoffte so Eingang bei den guten Leuten zu finden. Napoleon bot Platow *) die Provinz des Don als erblich Königreich an, wenn er seinen Souverän verlassen und verraten wollte. Platow gab Alexander den Brief, und Balacheff hat ihn gesehen. Die Kinder grüßen Dich tausendmal, und ich liebe Dich gewiß mit inniger Liebe. Wir werden auch bald wieder zusammen sein, und meine Seele ist immer bei Dir. Deine Li. ——— *) Matwei Iwanowitsch Graf Platow, geb. 1751, † 1818, befehligte 1812 20 Donische Kosaken-Regimenter. 68