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[ Band 4 Brief 34: Caroline an Humboldt Wien, 19. Julius 1813 ]
und sage rein meine Meinung heraus auf Gefahr, mich zu irren. Preußen hat in dieser Zeitperiode eine Kraft geäußert und ent- wickelt und zum Teil in das wirklich reelle und handelnde Leben übergetragen, die einem Preußen als die Wiege künftiger gesetz- mäßiger Freiheit sehr teuer machen. Einige Jahre wolltest Du doch noch dem Vaterlande weihen. Wenn Du daher Deinen jetzigen lebendigeren Verkehr mit dem Könige, mit dem Staats- kanzler benutztest, im Lande zu wirken und nach Deinem besten Wissen und Gewissen zu handeln, so glaube nicht, daß es mir un- angenehm sein würde, dort zu leben. Im Gegenteil. Mit den Menschen als Menschen hat man dort lebendigere Berührungspunkte, das ist und bleibt gewiß. Machte Preußen einen wirklich ehren- vollen Frieden, so sähe ich es recht gern (pas pour la gloriole kannst Du wohl denken), aber alles dieser Ursachen wegen und meines wahren Interesses an Preußen wegen, wenn Du Minister der aus- wärtigen Geschäfte würdest, oder in der inneren Administration employiert würdest. Bis zu Deinem fünfzigsten Jahre Dich wenigstens Preußen zu geben, halte ich doch für eine unerläßliche Pflicht, zumal in so gewaltiger und ernster Zeit. Ich wünsche es aus reinem Interesse für das Gute. Nötigen Dich aber die öffentlichen Umstände, ganz zurückzutreten, so glaube mir, mein teurer Wilhelm, daß es für mich nur das Schmerzliche haben wird, Dich für Preußen verloren zu denken (für Preußen, das mir um der Masse von schönen, wahren und heiligen Gefühlen und Empfindung des Rechten, mit dem Tausende seiner Bürger in den Tod gegangen sind oder ihr Liebstes dem Schicksal dargebracht haben, unbeschreiblich lieb ge- worden ist); aber sonst weißt Du wohl, daß das Aufgeben einiger Bequemlichkeiten des Lebens oder einigen Glanzes, der einem mehr für andere, die man liebt, als für sich selbst etwas wert ist, mir keine harten Kämpfe kosten wird. Ich kann Dir gar nicht genug sagen, wie lieb und immer lieber 66