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[   Band 4 Brief 23:    Humboldt an Caroline    Ratiborschitz, 25. Junius 1813   ]


umgestaltet haben, weil man selten einen Mann von rechtem Ge-
fühl und viel seltener noch einen Staatsmann, ja nicht häufig auch
nur eine solche Frau antrifft. So muß man denn, was man der
Einsamkeit dankt, der Einsamkeit zurückgeben und überglücklich, wenn
man es noch einem Wesen vertrauen kann, wie ich Dir.
Die Herzogin hatte mich bitten lassen, einen Augenblick zu
ihr zu kommen, um ihr etwas an Stadion zu besorgen, und ich
bin unterbrochen worden. Wir sind jetzt ziemlich allein, wenigstens
ohne allen genannten Besuch. Bei der Herzogin ist man immer
in einem Zimmer, wo die Bibliothek steht, hat also immer Bücher
oder Kupferstiche zur Hand. Wird gespielt, so lese ich ganz ruhig.
Gegen mich ist die Herzogin sehr artig und sogar mehr als das,
selbst freundschaftlich. Ich bin mit ihr ungefähr wie mit allen
Damen dieser Art. Ich liebe einmal die Art nicht, aber ich habe
mich recht daran gewöhnen müssen, und so geht es denn so hin.
Im Grunde aber sind’s übertünchte Gräber, und mit den Frauen
ist es recht so, daß nur das Edelste und Gebildetste befriedigt.


24. Caroline an Humboldt                   Wien, 28. Junius 1813

Endlich, vor ein paar Stunden, habe ich, mein teurer Bill,
Dein liebes Blatt aus Opotschna vom 22. von der Staats-
kanzlei geschickt bekommen. Es scheint mir die Zeit sehr
lang, wo dies Blatt unterwegens gewesen ist. Der Brief war durch
ein ganz fremdes Siegel gesiegelt. . . .
Wenn Du dort die Zukunft dunkel und ungewiß siehst, so
kannst Du denken, wie sie uns hier vorkommt. Ich beziehe Deine
Ungewißheit wegen des Gehens nach Gitschin auf die Entschlüsse,
die Graf Metternich wohl erst von Dresden mitbringen wird,

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