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[   Band 4 Brief 18:    Humboldt an Caroline    Reichenbach, 17. Junius 1813   ]


gegen, wenn er so sein soll, und gebe lieber alles auf, wie auch die
Zukunft werden möge, ehe ich ihn unterzeichne. Ich werde doch schon
für Dich und die Kinder sorgen können, die von Dir, liebe Li, auch
schon jetzt eine edle und aufopfernde Gesinnung geerbt haben. Für
mich aber ist mir nicht bange. Heiterkeit, Tätigkeit und Mut hängen
in mir von nichts Äußerem ab und wachsen mit der Bedrängnis. . . .
Aber verzeih, daß ich von meinem Stoff abkomme. Ich wollte
Dir schildern, wie die Sachen hier stehen, Dir die Grundsätze ent-
wickeln, wie ich sie behandle, und die Folgen zeigen, die es auf
unsere Privatlage haben kann. Du denkst richtig und groß über
alles, und ich berate mich mit niemand auf Erden so gern, als
mit Dir. So viel Du daher kannst, ohne unvorsichtig zu sein,
antworte mir, ob Du meiner Meinung bist. Übrigens werde ich
meine Lage nicht leicht aufgeben. Ich hasse nichts so sehr als
mit Grundsätzen Parade zu machen und ein Märtyrertum zu
affektieren. Nur wenn es not ist, werde ich brechen; bis dahin kein
Mittel vernachlässigen, das die Klugheit an die Hand geben kann.
Neuigkeiten hat man hier gar nicht, kaum nur Zeitungen.
Daß aber der Kaiser Napoleon nicht in einer guten Lage sein
muß, wird Dir folgendes zeigen. Es entstand die Frage, ob
Krossen und der ganze Strich der Neumark, der sich dort so gleich-
sam in Schlesien hineinsenkt, in die französische oder preußische
Waffenstillstandslinie gehöre. Die Worte waren so offenbar für
die Franzosen, daß kaum eine andere Auslegung möglich war.
Gneisenau hat aber mit Festigkeit preußische Besatzung in Krossen
gelassen und der Prince de Neufchâtel *) hat förmlich nachgegeben
und erklärt, daß sie keine Ansprüche auf diesen Teil der Neumark
machen. Wie wäre dies in einer anderen Zeit geschehen? —

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*) Alexandre Berthier, Prince de Neufchâtel, geb. 1753, † 1815, ver-
trauter Freund Napoleons.

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