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[ Band 4 Brief 18: Humboldt an Caroline Reichenbach, 17. Junius 1813 ]
Ich habe es mir zum eigentlichsten Geschäft gemacht, alle ge- schickten Militärs zu sprechen und zu Rate zu ziehen, allein hier- über wissen sie selbst wenig Rat. Das Beste kommt noch darauf hinaus, daß der Kaiser selbst mit einem guten Beistand kommandieren müsse, und daß es gut sein würde, Russen und Preußen in zwei Korps zu teilen. Dies dürfte vorzüglich notwendig sein, wenn man den Krieg ohne Österreich fortführte. Dann würden die Russen nicht abzuhalten sein, über die Oder zu gehen. Man müßte sie also ziehen und ihnen die Verteidigung des Herzogtums überlassen und sich selbst zwischen unseren Festungen halten. Bülow operierte im Rücken. Die materiellen Kräfte sind so da, daß es kein Zweifel bleibt, daß ein solcher Plan ausführbar wäre, allein freilich müßte Energie, Einheit und Einsicht da sein. Die Hauptsache ist, daß es keinen Menschen gibt, der sich an die Spitze stellen könnte und dessen fester Sinn wäre, mit der Sache zu stehen oder zu fallen. Jeder denkt doch noch an Nebensachen, jeder sieht diese Dinge wie Geschäfte, keiner wie sein Leben an. Mit solcher Gesinnung ist nie etwas Großes geworden. Rechne ich nun alles zusammen, wie es ist, so gibt es nur eine günstige Chance, die, daß Napoleon in nichts nachgeben will. Dann wird Österreich zuschlagen müssen, und dann kann es gehen, obgleich auch die jetzigen Fehler und Hemmketten da sein werden. Ge- schieht dies nicht, so kann man das fast sichere Horoskop stellen, daß es zu einer Verlängerung des Waffenstillstandes, einem schlechten Kriege und einem noch schlechteren Frieden kommen wird; vielleicht bleibt auch der Krieg ganz aus. Das Beste dann ist vielleicht noch ein Friede, wie ihn Österreich jetzt vorschlägt. Ich habe mich darum sehr ernstlich gefragt, ob es nicht vielleicht besser sei, gleich auf diesen Frieden loszuarbeiten. Allein das Schlechte bleibt schlecht, und das Schlechte wählen, indem man sich selbst des Besseren un- fähig erklärt, ist nichtswürdig. Also ich arbeite dem Frieden ent- 33