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[   Band 4 Brief 18:    Humboldt an Caroline    Reichenbach, 17. Junius 1813   ]


50 und 100 im Lande herumschwärmen und plündern. Sie haben
einen Troß bei sich, von dem man sich gar keinen Begriff macht.
Neulich hat man auf Befehl des Kaisers eine Anzahl Wagen zu-
rück ins Warschauische geschickt; sie sind aber auf einem Umweg
wieder in Oberschlesien hereingekommen.
Bei uns hat die Landesverwaltung die entsetzlichsten Mängel,
und bloß die Art, wie man das Landsturmedikt in einigen Gegenden
auf die lächerlichste Weise ausgeführt, in anderen gar nicht publi-
ziert hat, ist ein sichtbarer Beweis davon. Die Leiden der Eigen-
tümer hier sind von der Art, daß Geßler neulich Knesebecken (den
er sonst nicht kennt) gesagt hat: »Das Glücklichste, das einem be-
gegnen kann, sei, totgeschossen zu werden.« Nun ist freilich Geßler
ein wenig verrückt, allein es bleibt doch genug Wahrheit übrig.
Mit dem Militärkommando steht es ganz unglaublich. Barclay
de Tolly *) ist kommandierender General, wird aber beständig gehindert
durch den Fürsten Wolkonsky, der Generalquartiermeister beim
Kaiser ist. Wenn die Sachen an Preußen kommen, trägt sie
Knesebeck dem König vor, und nun hat dieser immer entscheidenden
Einfluß. Es ist Faktum, daß die Schlacht bei Bautzen während der
Bataille ganz konsultativ geführt worden ist. Der kommandierende
General, damals noch Wittgenstein **), hat die meiste Zeit auf der
Erde gelegen, und sein Generalquartiermeister neben ihm, beide aus
Unmut. Indes hat man um die Regenten herum beratschlagt, und
er ist nur aufgestanden, wenn man ihn gerufen hat. Daß dies
nun anders gehen wird, wenn der Waffenstillstand zu Ende, und
der Krieg wieder angeht, ist noch nicht abzusehen.

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*) Michael Fürst Barclay de Tolly, geb. 1761, † 1818, russischer Feld-
marschall.
**) Ludwig Adolf Peter Fürst von Sayn-Wittgenstein, geb. 1769,
† 1843, legte nach der Schlacht bei Bautzen den Oberbefehl nieder und be-
fehligte fortan das russische Korps in der böhmischen Armee.

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