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[   Band 4 Brief 10:    Humboldt an Caroline    Berlin, 28. Julius 1812   ]


wieder Leben in ihre Gesellschaft gekommen ist. Sie ist mir wirk-
lich sehr gut. Außer einem dicken Prinz Solms, der aber doch
nicht übel ist, der Clausewitz (ehemaligen Marie Brühl, deren
Mann *) auch in Rußland ist) und ihrer Mutter und noch ein
paar anderen Menschen kommt aber niemand hin. Mit Goltz bin
ich neulich nach Glienike gefahren, das bei Potsdam liegt, und
wo wir bei dem Staatskanzler aßen. Er ist sehr gut gegen mich,
wir haben sehr viel über allerlei Gegenstände gesprochen, wovon
ich Dir mündlich erzählen werde. Für mich könnte ich nie einem
andern das Departement wünschen.
Umarme alle Kinder, und lebe innigst wohl, mein einzig
teures Leben!
Der König hat, wie mir die Berg **) gesagt hat, neulich ge-
äußert, daß ich der einzige Gesandte sei, durch den er erführe,
was vorginge.
Von Kohlrausch ***), glaube ich, habe ich Dir noch gar nicht
geschrieben. Er kommt meistenteils alle Tage und ist überaus
zärtlich. Ich bleibe mir gleich und erwidere es nicht ausnehmend.
Er ist mit allen Leuten gern im Zank, indes hat er auch einige
warme Anhänger. Selbst der Staatskanzler beschützt ihn. Carl †)
beschuldigte ihn, daß er beim Staatskanzler übel von mir spräche
und mir dadurch schadete, und haßt ihn fürchterlich.
Wie unglücklich die Leute hier gegen uns in Wien sind, da-
von hast Du keinen Begriff. Alle Augenblick muß einer aus seiner
besten Stube ziehen, um sie einem Offizier einzuräumen, sich in
den schlechtesten behelfen, und selbst Stabsoffiziere mit ihren

———
*) Karl v. Clausewitz, preußischer General, geb. 1780, † 1831.
**) Die bekannte Freundin der Königin Luise.
***) Geh. Ober-Medizinalrat.
†) v. Laroche, geb. 1767, † 1839. Geh. Ober-Bergrat, Jugendfreund
des Humboldtschen Paares.

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