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[ Band 4 Brief 10: Humboldt an Caroline Berlin, 28. Julius 1812 ]
so beträchtlichen Beitrag gibt als ich, auf Händen trägt. Es ist sehr hübsch da. Die Kinder sind in Familien abgeteilt, bloß Mädchen, sie machen alle Hausarbeit selbst, und es ist überall eine musterhafte Ordnung und Reinlichkeit, zu der die Schönheit des Lokals auch beiträgt, da der König das Ansbachische Palais, das ich einmal für die Universität nehmen wollte, dazu fürs erste ein- geräumt hat. Zelter *) mit der Singakademie begannen und be- schlossen die Feierlichkeit und ich habe wieder bewundert, daß man nirgend sonst eine solche Fülle und Schönheit von Vokalmusik hört. Der König hat beständig, solange ich den Mittag da war, mit mir gesprochen, und ich kann Dir nicht sagen, wie klar, ver- nünftig und gütig. Die Gespräche mit ihm sind eigentlich die einzigen ausführlichen politischen, die ich noch hier gehabt habe. Er ist stärker und wohler aussehend als sonst geworden, klagt aber doch über sein Befinden und geht wirklich bloß deshalb nach Teplitz. Der Kronprinz ist lebhaft und liebenswürdig, auch mehr an Gesell- schaft gewöhnt als ehemals. Bei Ferdinands steht die Zeit still. Er ist 83 Jahre alt, sie verhältnismäßig auch sehr bejahrt. Aber man glaubt sie noch immer ebenso zu sehen, als man sie verlassen hat. Mir ist nie etwas Ähnliches vorgekommen. Sie verfolgen mich mit Einladungen. Um nur manchmal auch an anderen Orten essen zu können, muß ich jetzt manchmal zweimal dinieren. Noch heute mache ich es so, da ich bei Zichy **) essen soll. Denn um 4 Uhr ist bei Ferdinands alles geendigt. Die Sparsamkeit hat auch zugenommen. Es wird kein Kaffee mehr getrunken. Der neue Johanniterorden ist dem alten Prinzen ein Gräuel, und er will schlechterdings nichts damit zu tun haben. Prinzessin Luise ist sehr kränklich. Alle versichern aber, daß erst seit meiner Ankunft ——— *) Karl Friedrich Zelter, geb. 1758, † 1832, Komponist und Professor der Musik. **) Österreichischer Gesandten 16