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[ Band 4 Brief 10: Humboldt an Caroline Berlin, 28. Julius 1812 ]
10. Humboldt an Caroline Berlin, 28. Julius 1812 Langweilige Zerstreuungen sind das Schlimmste, was einem begegnen kann, und diesen muß ich mich vom Morgen zum Abend hingeben. Wohl bin ich sonst recht sehr, und die Leute finden mich viel hübscher geworden. Die Prinzessin Ferdinand hat sich sogar weitläuftig gegen Prinzessin Luise darüber ausgelassen. Sie findet mich besser frisiert, besser angezogen, kurz, liebes Herz, Du weißt gar nicht, was Du an mir besitzest. Heute morgen war ich im Universitätsgebäude und besah die Sammlungen. Sie sind sehr schön, gut geordnet und in dem großen Gebäude trefflich aufgestellt. Es ist oft rührend, wie die Leute, die mit diesen Sachen zu tun haben, an mir hängen und mich zurück- wünschen. Freilich leben auch die meisten dieser Dinge nur noch von dem Impuls, den ich ihnen gegeben habe, und es ist unleug- bar, daß niemand aus der Zeit, die ich hier und in Königsberg zubrachte, so dauernde Spuren seiner Tätigkeit hinterlassen hat. Uhden *) hat noch ganz den alten Eifer dafür, seine Finanzen sollen aber fürchterlich zerrüttet sein. Gestern früh war ich mit Kunth **) in Tegel. . . . Du weißt, daß Kunth sehr närrisch in Briefen an mich war und auf einmal sehr kalt und fremd zu schreiben anfing. Hier habe ich ihn indes von der ersten Minute an wieder ganz auf die alte Weise gefunden, und obgleich ich ihn und seine Familie nicht sehr viel sehe, weil meine Zeit entsetzlich zersplittert ist, so bin ich doch recht gern unter ihnen. . . . Vorgestern war ich in einer Jahresfeier der Luisen- stiftung, wo man mich, weil wohl außer dem König niemand einen ——— *) Wilhelm Uhden, preußischer Staatsrat, geb. 1763, † 1835, unter Humboldt 1809 in die Unterrichtsabteilung berufen, setzte nach Humboldts Scheiden die Einrichtung der neugegründeten Universität fort. **) Gottlieb Johann Christian Kunth, geb. 1757, † 1829, Staatsrat, Erzieher der Humboldtschen Brüder. 15