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[   Band 4 Brief 9:    Humboldt an Caroline    Berlin,  25. Julius 1812   ]


9. Humboldt an Caroline              Berlin,  25. Julius 1812

Es geht mir sehr schlimm heute, liebe Li. Ich werde Dir
nur mit Müh und Not einige Zeilen schreiben können.
Den ganzen Morgen ist meine Stube nicht leer geworden.
Besuche machen und Besuche annehmen nimmt den ganzen Tag
hin. Arbeiten habe ich noch gar nicht können.
Hardenberg *) war sehr freundschaftlich, Goltz **) ist auch sehr
gut, und alle scheinen mit mir ungemein zufrieden. Der König hat
durch eine Konfusion meine Ankunft erst Mittwoch erfahren. Den-
selben Tag, wo ich mich angemeldet, hat er mich eingeladen nach
Charlottenburg zum Essen. Ich war allein mit ihm und den Kindern.
Er war überaus gnädig, hat lange nach Tisch und bei Tisch immer
mit mir gesprochen, hat mir gesagt, er freue sich, mir mündlich seine
Zufriedenheit bezeugen zu können, meine Berichte trügen das Ge-
präge der Wahrheit an sich, ich müsse sehr gute Quellen haben usf.
Gestern war ich beim Kronprinzen, heute bei Prinz Ferdinand ***). 
Alle diese drei Tage sollte ich bei Hardenberg essen, der mir ge-
sagt hat, ein für allemal zu ihm zum Essen zu kommen. Heute
werde ich es nach Prinz Ferdinands Diner tun, um ihn zugleich
besser zu sprechen. Goltz ist sehr freundschaftlich. So bin ich mit
allen gut. Die Abende bringe ich regelmäßig bei Prinzessin Luise †)
zu, die die Freundschaft selbst ist.
Adieu, liebe teure Seele, ich muß heute hier schließen.

———
*) Karl August, seit 1814 Fürst von Hardenberg, geb. 1750, † 1822,
seit 1810 preußischer Staatskanzler.
**) August Friedrich Ferdinand Graf v. der Goltz, geb. 1765, † 1832.
Minister des Auswärtigen.
***) Jüngster Bruder Friedrichs des Großen, geb. 1730, † 1813.
†) Fürstin Radziwill, Tochter des Prinzen Ferdinand, geb. 1770, † 1836.

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