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[ Band 4: Überblick ]
den Kongreß in Wien zu halten, und so schob sich die Wiederver- einigung der Familie von neuem ins Unbestimmte hinaus. Frau v. Humboldt konnte weder ihrer Gesundheit, noch den Einkünften zumuten, das in jeder Weise erschöpfende gesellschaftliche Treiben während des Kongresses mitzumachen. Sie nahm Wohnung in Berlin, wo sie inmitten der patriotischen Begeisterung wohl der Be- geistertsten eine war. Fast täglich berichtete ihr Humboldt über den Gang der Ereignisse. Ihm war es Bedürfnis, ihre Ansicht zu hören, und ihre von nationaler und politischer Leidenschaft glühenden Briefe sind ihm nicht nur Erquickung, sondern auch Stärkung in jener Zeit der mühevollsten Arbeit gewesen. Dankbar schreibt er von dem Rat und Einfluß edler Frauen, der sich nicht auf einzelne Handlungen erstreckt, aber »wie ein Stern durch die Wüste des Lebens leitet«. Humboldts Briefe führen uns ins Hauptquartier, auf den Kriegsschauplatz und auf die Kongresse, die vom Juni 1813 an mit nur kurzen Unterbrechungen fast zwei Jahre lang die Stätte seiner rastlosen Tätigkeit gewesen sind. Sie zeigen uns das Gewirr sich kreuzender Pläne und Interessen, das unbegreiflich hohle und frivole gesellschaftliche Treiben inmitten dieser für die Völker so ernsten Zeit, wir sehen den Leichtsinn, die Gleichgültigkeit, die kleinlichen Triebfedern, die oft die Entschlüsse bestimmen. Immer wird der kühl erwägende Staatsmann von dem sieg- reichen Feldherrn in den Schatten gestellt werden. Friedensunter- handlungen und Verträge als Folge strahlenden Waffenruhms sind unpopulär und erfüllen niemals die auch gerechtesten Erwartungen. Humboldt war sich dessen wohl bewußt und schreibt 1814 aus Chatillon: »Es kommt hier der wahre Widerstreit des an sich Wünschenswürdigen und des unter den Umständen Erreichbaren zur Sprache, und man entgeht nie dem Vorwurf, unter dem Er- reichbaren geblieben zu sein.« X