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[ Band 3 Brief 226: Humboldt an Caroline Schwarzburg, 9. September 1810 ]
Dabei fällt mir ein, daß Lolo neulich auf Carolinens Reiselust folgende gar nicht üble Parodie gemacht hat: »Wenn der Funke sprüht, wenn die Achse glüht, eil ich meinen Freunden zu«. Gestern früh waren wir die Ruine des Klosters Paulinen- zell zu besehen. Die Prinzen sprachen immer in Rom davon, und ich ärgerte mich oft, wie man in Rom nur an eine deutsche Ruine denken könne. Aber sie ist wahrlich sehr schön und die schönste christliche Ruine von Architektur, die mir je vorgekommen ist. Sie ist von der Kirche, und es steht noch die mittlere Kolonnade, die mit S. Maria Maggiore und S. Paul große Ähnlichkeit hat. Die Kolonnade, noch neun Säulen auf jeder Seite, freilich nur Sandstein, aber immer aus einem Stück, schließt mit einem wohl 70 Fuß hohen Bogen quer vor, der zum Hochaltar geführt hat. Die Kapitäls der Säulen sind sehr einfach, aber so, wie ich sie nie sah. Ich glaube, die Kirche ist in dem ersten Übergang von römischer zu gotischer Bauart gebaut. Eigentlich Gotisches hat sie fast nichts. Gentz hat sie für maurisch gehalten. Ich sehe aber nichts Maurisches an ihr. Es fehlt einem aber wirklich etwas Wesentliches, wenn man sie nicht gesehen hat. Es ist mir unendlich lieb, daß der Bücherkasten nach Wien gegangen. Ich bringe sehr viel Bücher da zusammen. Drei Kisten von Papa, eine aus Berlin, eine von Rom. Lache mich nicht aus. Aber wir verbrennen die Schiffe. Rückwärts gehen wir nicht mehr. Dann kostet’s nicht viel, und ewig ohne Bücher zu leben, ist schrecklich. Ich habe große Projekte auf vieles Studieren in Wien. Ich werde früh aufstehen —— Gott, ich weiß gar nicht, wie ich es nur machen werde, um, wenn Du erst da bist, einen Augenblick ohne Dich zu sein, liebes, liebes Wesen! Lebe innigst wohl. Ewig Dein. 474