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[ Band 3 Brief 227: Humboldt an Caroline Eger, 14. September 1810 ]
227. Humboldt an Caroline Eger, 14. September 1810 Ich bin, liebe Li, gestern von Rudolstadt ausgereist und heute hier angekommen. Ich gehe auch heute noch bis Karlsbad weiter. Ich vermutete, hier die Prinzessin Solms zu finden, und wäre dann einen Tag hier geblieben. Allein sie ist in Töplitz gefährlich krank geworden. Es wäre ein eignes unglück- liches Schicksal, wenn sie ihrer verstorbenen Schwester folgte. In Karlsbad verfehle ich, wie ich schon jetzt deutlich voraussehe, Goethe. Er ist in den Tagen, wo ich in Schwarzburg war, mit dem Herzog, wie ich jetzt höre, zurückgekommen. In Schwarzburg selbst konnte ich es nicht mit Gewißheit erfahren, und meine Zeit war auch ab- gelaufen. Es wäre zu unhöflich gewesen, da zu sein, ohne nicht auch den Hof zu sehen, und dann hätte es mich um zwei Tage wenigstens gebracht. Es ist sehr närrisch, daß die Fürstin von Rudolstadt eine ordentliche Antipathie gegen Goethe hat. Sie hat ihn nur bei Hofe gesehen, läßt sich aber auch gar nicht abstreiten, daß er nicht auch anderswo dieselbe Starr- und Steifheit habe. In ihm ist die Empfindung gegenseitig, und so gern er z. B. die Köpfe der Kolosse *) sähe, so kann er sich nicht überwinden hinzu- gehen. Es muß wirklich da etwas in den unerklärlichen Eindrücken liegen, die ein Mensch auf den andern macht, sonst begreift man es gar nicht. Ich schrieb Dir, glaube ich, daß ich die Kolosse gleich in den ersten Tagen besuchte. Sie stehen in einem einsamen, durch viele umhergepflanzte Tannen ziemlich dunklen Gartenhause. Sie haben mir wieder ordentlich leid getan; gegen den sonnigen Quirinal, und auch die Umgebungen sind hier ziemlich gotisch. Eine der Stadtkirchen steht unmittelbar mit ihrem Giebel und ihrem ——— *) Abgüsse der Köpfe der antiken Statuen des Castor und Pollux auf dem Monte Cavallo in Rom. 475