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[ Band 3 Brief 215: Humboldt an Caroline Berlin, 31. Julius 1810 ]
müssen, aber da man den Schlüssel ablegt, wenn man Minister wird, so ging ich mit dem Ministerium. Ich leugne nicht, daß mich diese Tage sehr erschüttert haben. Die Königin war, auch bloß als Frau betrachtet, von einer seltenen Har- monie in ihrem ganzen Wesen; sie hatte wirkliche Größe und alle Sanft- mut, die nur aus den herzlichsten häuslichen Verhältnissen hervor- gehen kann; sie war dabei uns sehr gut, und wir haben unendlich viel mit ihr verloren. Dem armen Erbprinzen habe ich noch gar nicht zu schreiben gewagt, er reist nach Schwaben zur Fürstin von Thurn und Taxis. Prinzessin Luise leidet sehr. Sie liebte die Königin ausnehmend und verliert auch außerdem viel mit ihr. Ich gehe jetzt meist alle Abend zu ihr, weil sie doch gern die um sich sieht, die am vertrautesten im Hause sind. Aber sie bleibt selten zum Abendessen. Prinzessin Wilhelm ist noch in Homburg. Sie wollte zum Geburtstag des Königs wiederkommen, aber die Königin ließ ihr noch in ihrer Krankheit schreiben, es würden nun doch keine Feierlichkeiten am Geburtstage sein, sie möchte sich nicht genieren. Der Erfolg macht es wirklich sehr rührend. Närrisch ist es, daß auch Vorbedeutungen des Todes gewesen sind, die, wenn man sie auch nicht streng erwiesen nennen kann, doch mehr als bloße Einbildungen sind. Den ganzen Winter hin- durch sagte man immer, daß sich die weiße Frau bald hier, bald dort im Schloß sehen ließ. Einmal hieß es zwar, man sei der Sache auf die Spur gekommen, und wirklich hatte ein Offizier eine Frau gegriffen, aber weil sie sich zu erkennen gab, wieder gehen lassen. Indes hatte diese nicht einmal das Geisterkostüm, und die weiße Frau ist öfter und an mehr Orten erschienen, wenn man dem glauben wollte, was wenigstens diesen Winter, wo nie- mand vom Hofe krank war, oft erzählt wurde. Dann soll in Potsdam acht Tage vor dem Tode die Orgel der Stadtkirche in der Nacht Totenlieder gespielt haben. Daß man bestimmt einzelne 451