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[ Band 3 Brief 215: Humboldt an Caroline Berlin, 31. Julius 1810 ]
Prinz Carl, der Stiefbruder des Erbprinzen, *) folgte mit. Er war so betrübt, daß er wirklich nur schwankte. Nun bildete sich der Zug und ging in der Mitte der Linden, ganz zu Fuß, bis auf die von Strelitz mitgekommenen Damen vom Hofe, die fuhren, bis zum Schloß. Zu beiden Seiten waren Reihen Soldaten, an einigen Orten Sängerchöre, an den anderen Militärmusik und Trommeln, die gedämpft und etwas in der Ferne sehr melancholisch klingen. Auf dem Brandenburger Tor, wo sonst die Viktoria stand, wehte eine große schwarze Fahne, alle Glocken gingen. Der Zulauf der Menschen war unglaublich, aber eine Stille, die man sich kaum vorstellt, man hörte nicht einmal das sonst bei großen Haufen fast unvermeidliche dumpfe Gemurmel. Der Lustgarten, wo sich der Zug übersehen ließ und die Garden standen, sah am feierlichsten aus. Unten an der Schloßtreppe empfing der König mit dem ganzen Hofe den Sarg und begleitete ihn hinauf, bis er an seinen Platz in dem Thronzimmer gestellt war. Das Zimmer war nicht schwarz ausgeschlagen, aber erleuchtet; es ist von violettem Samt mit starken Vergoldungen und nahm sich gut aus. Die anderen Zimmer des Schlosses waren dunkel. Es hatte etwas Schauerliches, die Prinzessinnen alle in der tiefen Trauer mit Krepp und langen Flören, die meisten weinend und sehr an- gegriffen in dieser halbdunklen Abendzeit zu sehen. Sie waren im Spiegelzimmer versammelt, das die Trauergestalten noch schauer- licher vervielfältigte. Vom 27. bis gestern abend konnte jedermann auf’s Schloß gehen, den Sarg zu sehen. Er war aber verschlossen. Gestern abend ging nun der Zug, ganz zu Fuß, der Leichenwagen ausgenommen, nach dem Dom. Leider ist der Dom ein so ge- schmackloses, unkirchenartiges Gebäude, daß sich nichts darin aus- nimmt. Ich hätte als Kammerherr eigentlich die Leiche mittragen ——— *) von Mecklenburg-Strelitz. 450