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[ Band 3 Brief 205: Caroline an Humboldt Rom, 4. Juli 1810 ]
Lebewohl, meine Seele, mit Theodor. Was sagt denn der zu Wien? Denke nur das: den 14. Oktober bin ich bei Dir, es sei auch, wo es sei! 206. Humboldt an Caroline Berlin, 7. Julius 1810 Jetzt bleibt es nun wohl, meine teure Seele, bei dem, was ich Dir alle diese Wochen hindurch schrieb. Du wartest den Herbst in Rom ab und gehst Anfang September geradezu nach Wien. Allein es versteht sich, daß die Zeit Deiner Abreise immer ganz Deine Wahl bleibt. In nichts soll mein holdes Wesen gebunden sein. Ich reise in den ersten Tagen des August hier ab und bin am 1. September in Wien. Theodorn nehme ich entschieden und spätestens um Michaelis dorthin. La- roches können ihn nicht länger behalten, sie haben nicht Platz im Hause. . . . Warum aber, mein süßes Kind, bist Du so wehmütig? Ich frage Dich, aber ich fühle, daß Du vermutlich selbst keinen Grund anzugeben weißt. Es liegt unmittelbar in der menschlichen Natur eine tiefe und unüberwindliche Wehmut, eine, die nicht immer das Glück stört, vielmehr oft selbst ein großes und süßes Glück ist, und je tiefer und menschlicher das Gemüt, desto mehr steigt sie empor und durchdringt es. Sie ist die leiseste und schönste An- deutung der Disharmonie zwischen dem gebundenen Wesen der Wirklichkeit und der inneren Freiheit und löst hernach in rein- gestimmter Seele diese wieder auf, so daß sie in sanften Einklang übergeht. Oft freilich aber ist sie auch schmerzlicher. Erinnerung des Unglücks mischt sich ihr bei, Ahndungen steigen auf, und sie wird zu einem dumpfen Gefühl, daß das Menschendasein doch eigentlich zum Schmerz bestimmt ist. 430