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[ Band 3 Brief 202: Caroline an Humboldt Rom, 30. Junius 1810 ]
allein die innere Einrichtung, der Du Dich unterzogen, leidet ge- wiß durch Dein Weggehn, und ich bin begierig, wie man Deine Stelle besetzen wird. Ich glaube wohl, daß die Leute, die zum Teil im Zutrauen auf Dich nach Berlin gekommen sind, desperat über diese Sache sind. Aber was macht man mit Finckenstein? *) Im ganzen, muß ich Dir gestehen, scheint es mir, ist dieser Posten vor wenigen Jahren von größerer Wichtigkeit gewesen, und in welchen Händen hat man ihn gelassen, als er für Preußen beinah entscheidend war! Was das eigentliche Leben betrifft, so bin ich auch Deiner Meinung, daß es angenehmer in Wien als in Berlin ist. Was aber den eigentlichen höheren Nutzen für Preußen als Staat betrifft, so bin ich der Opinion, daß Du in Berlin mehr nütztest, als unter obwaltenden Umständen in Wien, es müßte denn sein, daß Harden- berg wirklich in ein paar Jahren auf Abtreten und Übertragung seines Wirkungskreises rechnete. Ich habe, gestehe ich, wenn die Fälle nicht außerordentlich sind, wie sie es freilich für Preußen vor einigen Jahren waren, und wo ein großes Genie auch viel- leicht Großes hätte hervorbringen können und das Gebrechliche in diesem Staat hätte konsolidieren können, mehr Ehrfurcht für die innere Bildung einer großen Masse Menschen als für irgend etwas anderes, und wir gehen, glaube ich immer, einer Zeit entgegen, wo der Mensch nur durchaus etwas gelten wird, insofern er etwas ist. Daher und von dieser Seite aus betrachtet ist es mir unlieb, daß Du Deinen jetzigen Wirkungskreis verlässest. Persönlich aber ist mir Wien angenehmer wie Berlin. Ich warte jetzt ruhig die letzte Entscheidung ab, und sobald die Jahreszeit es erlaubt, setze ich mich in Bewegung. Die Reise wird für mich bedeutend kleiner. Man bleibt an den Toren von Italien. Überdem glaube, liebes, teures Wesen, daß, wo Du ——— *) Bisheriger preußischer Gesandter in Wien. 423