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[ Band 3 Brief 197: Humboldt an Caroline Berlin, 9. Junius 1810 ]
halten. Ebenso auch Scharnhorst, aber weil er ihn, seiner Gesund- heit wegen, erbeten hatte. Dohna ist geblieben und Goltz. Kirch- eisen *) ist Justizminister. Zum Finanzminister ist noch niemand ernannt, die Geschäfte sind einer Kommission übergeben. Harden- berg selbst ist Staatskanzler, d. h. Premierminister. Die Sensation, die dies gemacht hat, ist, wie Du denken kannst, sehr verschieden. Ich, das glaube mir, liebe Li, habe unter vielen Intrigen immer vollkommen rein dagestanden. Ich habe dem König über das ab- gegangene Ministerium rein meine Meinung gesagt, aber ich habe, so sehr ich Hardenberg schätze, und so viel Dank ich ihm noch von sonst her schuldig bin, ihn nicht einmal besucht, ehe er mir seine Ernennung nicht selbst bekannt gemacht hat. Auch erkennt das jedermann und Beyme und Altenstein, bei denen ich gestern war, selbst zuerst und am meisten. Jetzt noch ist meine Lage sehr wunder- bar; ach! und wie viel gäbe ich darum, wenn Du hier wärest. Soll ich annehmen, soll ich nicht? Soll ich suchen, noch jetzt Minister hier zu werden, soll ich nach Wien gehn? Alle, die mit meinem Departement in Verbindung stehen, sind niedergeschlagen und reden mir zu. Kohlrausch tut, als wäre er in Verzweiflung. Es ist, ich sage Dir das so naiv, weil Du weißt, daß ich nie ruhmredig war, nur eine ungeteilte Stimme, daß ich für diesen Posten gemacht war, und daß er nach mir nie gleich gut besetzt werden kann. Aber Hardenbergs Wunsch ist so ent- schieden, mich in die diplomatische Laufbahn zu bringen, daß ich schwerlich dagegen etwas ausrichten würde. Ich kann ferner nur hier mit Sicherheit, mit wahrem Nutzen und mit eigentlicher Ehre existieren, wenn ich Minister bin, und es ist der Zuschnitt einmal so gemacht, daß, wer ein Fach wirklich administriert, wie man es ——— *) v. Kircheisen, geb. 1749, † 1825. Präsident des Kammergerichts, von 1810—1825 Justizminister. 412