< zurück Inhalt vor >
[ Band 3 Brief 192: Humboldt an Caroline Berlin, 29. Mai 1810 ]
Sie lautet wörtlich so: »Mein lieber usw. Ich habe zurzeit noch meinen Entschluß auf Euer Gesuch vom 29. vorigen Monats aus- gesetzt und lasse Euch solches vorläufig hierdurch eröffnen als Euer wohlgeneigter König. Potsdam usw.« Jetzt bin ich so weit als ich war. Ich könnte nun allerdings gleich wieder schreiben und auf augenblicklichen Abschied dringen. Allein es wäre unrecht gegen den König, es würde mir auch bei den Besseren verdacht werden, und ich handelte nicht konsequent. Denn ich habe bisher immer und mit Wahrheit geäußert, daß ich gern dienen wollte, wenn ich mit Ehre und Freiheit dienen könnte, und es ist jetzt offenbar, daß der König nur unentschieden ist, ob er mir eine neue Tätigkeit anweisen kann. Denn mich, wo ich bin, zu lassen, denkt er gewiß nicht. Ich kann daher unmöglich ihm den Weg abschneiden, dies gehörig zu überlegen, und ihn zur plötzlichen Erteilung des Abschieds zwingen. Mein Plan ist nunmehr, volle vier Wochen gehen zu lassen, und wenn dann nichts mehr entschieden ist, wieder zu schreiben und dann einen unbestimmten Urlaub zu fordern. Um Dir den Zustand der Sachen anzuzeigen, so mußt Du wissen, liebe Li, daß überhaupt jetzt eine große Krise im Ministerium ist, daß Bewegun- gen im Werk sind, vielleicht mehrere Minister mit anderen zu vertauschen, daß man Pläne und Gegenpläne macht, und vielleicht nie ein solcher Zustand der Dinge erhört gewesen ist. Es ist wohl ziemlich offenbar, daß mein Schicksal nicht eher entschieden werden soll, als bis dies alles abgemacht ist, und wenn nicht frühere ähnliche Erfahrungen einen wankend machten, so sollte man es für unmöglich halten, daß diese Ungewißheit nicht viel früher als in vier Wochen entschieden sein sollte. Die schwer zu entscheidende Frage ist nur: was sollst Du jetzt tun, holdes Wesen? Wirklich ist die Sache auf den Punkt gekommen, daß ich nichts zu sagen weiß. Mein Schicksal ist jetzt in einer Krise, und es ist 404