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[ Band 3 Brief 188: Caroline an Humboldt Rom, 16. Mai 1810 ]
jetzigen Verhältnissen bleiben wirst. Mußt Du den Abschied nehmen, so muß das doch von Deinem letzten Brief her, der vom 21. April war, in den nächsten 14 Tagen entschieden sein. Ich sehe nicht ab, warum Du Dir dann auf diesen Fall nicht die Freude machen wolltest, hierher zu kommen, und wir reisen dann zurück, wie Du es am liebsten hast, im Herbst oder im Frühjahr und suchen dann die nächsten drei Jahre in einer fixen Lage zu bleiben. Wo, wollen wir zusammen überlegen. Sind zwischen drei und vier Jahre herum, so sind wir wahrscheinlich wieder in einer anderen Lebensperiode, denn Theodor wird dann auf Universitäten müssen und Caroline wahrscheinlich verheiratet sein. Die Kleinen sind be- weglich, beweglichere Naturen wie unsre älteren, und mit ihnen macht man alles. Und wir bleiben, Deiner Theorie nach, mein geliebtes Herz, ewig jung und ewig schön. Ach, wie tief hat Rom, sein hoher Frieden, seine Stille und Größe mich wieder ergriffen! Das unbegreiflich schöne, reizende, zauberische und verführende Neapel läßt einem in dem Gemüt einen Eindruck, wie ich mir einbilden kann, daß man ihn auch durch ein Individuum empfangen kann, wenn man auch gleich ernst und ewig liebt. Die Liebe bleibt fest und unwandelbar, aber die Augen sind wie geblendet von dem Reiz einer lieblichen Gestalt. Doch bleibt der Reiz in den Augen, und das Herz verwechselt nie seine Götter. Aber schön, schön ist Neapel, und unaussprechlich würde es mich freuen, es noch einmal mit Dir zu sehen. Den Abend, wie ich in Eboli war, werde ich nie vergessen. Wir standen auf der Loge des prinzlichen Schlosses und sahen die Sonne untergehen, die mit ihren letzten Strahlen in der weiten Ebene die Tempel von Pästum vergoldete, daß sie schimmerten, und links schaute man tief hinein in die Gebirge von Calabrien, die die allerbizarrsten Formen haben. Ich dachte so herzlich an Dich und Theodor, und warum 396