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[ Band 3 Brief 187: Humboldt an Caroline Berlin, 19. Mai 1810 ]
extreme Entschlüsse begünstigt, ist gerade der, welcher mich am meisten treibt. Es gibt außerdem noch ein paar und der Besten, die wie ich, nur später den Abschied gefordert haben, und alles kündigt die Notwendigkeit naher und bedeutender Veränderungen an. Der König ist jetzt mit der Königin in Potsdam, und ich habe beide in sehr langer Zeit nicht gesehen. Sie kommen gewöhn- lich nur einmal wöchentlich in die Stadt und bleiben auch dann nicht die Nacht hier. Die Ungewißheit ist mir für Dich, teure Seele, doppelt fatal, aber Du bist und bleibst länger in Rom, und das tröstet mich. Nur unser Wiedersehen verspätet dieser Zwischen- fall auf eine mir sehr traurige Weise. Ach! ich sehne mich un- endlich nach Dir, ich freute mich so herzlich, die Wochen zählen zu können, bis Du kämest, und jetzt ist es wieder so ins Weite hinausgeschoben. Allein es ist auch die letzte Trennung und die letzte Ungewißheit unsres Schicksals in dieser Art. Ich gehe jetzt nicht wieder so von Dir; wenn das Kind mich nicht selbst weg- schickt, bleibe ich nun immer bei ihm. Nichts hat mehr Wert, wenn das Höchste und Beste fehlt. Ich habe die mühevolle Er- fahrung in nunmehr 19 Monaten gemacht und setze mich nie wieder solchem Entbehren, solcher ewig unbefriedigten Sehnsucht aus. Es ist auch bloße Täuschung, wenn man glaubt, es sei nur Glück, das man entbehrt. Es ist unendlich mehr, es entgeht einem das Schönste in der tiefsten Seele. Es mag sein, daß, wer Dich nie besessen hat, es nicht fühlt. Aber ich empfinde es täglich. Du bist wie ein reines Element, das mich immer mit gleichem Zauber umgibt, und ohne das ich mich gleich verlassen und dürftig und schwach fühle. Es ist nun die zweite Erfahrung, die ich von einer langen Trennung von Dir mache. Aber gewiß auch die letzte. Diese Empfindung ist völlig in mir zum festen Entschlusse gereift. Theodor ist wohl und munter, nur seine Heftigkeit muß auf irgend eine Weise gebändigt und gemäßigt werden. Wie liebe- 393