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[ Band 3 Brief 186: Humboldt an Caroline Berlin, 8. Mai 1810 ]
Darum werde nicht ungeduldig, mein liebes Herz. Laß Dir, wie im Pindar steht, sagen: »Harre duldend noch aus, Romas ewigen Mauern jegliche Sorgfalt zu weihn!« Auf mich nimm bei dem einen oder anderen Entschluß gar keine Rücksicht, einzig liebes Wesen. Ich bin eine sonderbare Natur, mehr als ich es selbst billigen kann. Ich lebe in Rom und in Auleben, habe nur unendlich wenig, woran ich hänge, und trage das Wenige, wenn Du mir nicht fehlst, mit mir herum. Bin ich außer Dienst, so hat mein Leben nun gar keine Bestimmung mehr, als Dich recht glücklich zu machen. Es ist mir das die liebste Seite meiner Freiheit. Es ist mir manchmal gesagt worden, daß ich etwas Weibliches in der Seele hätte, und wenn es recht weiblich ist, am liebsten in einem andern und nur in einem zu leben, so hab ich es in hohem Grade. Es gibt nichts auf Erden, was ich sehr vermisse, wenn ich Dich besitze und Dich froh und gesund weiß, es liegt alles in Dir, und ich finde alles darin. Ich glaube nicht, daß irgend einer tiefer fühlen kann, als ich, was ein Mensch einem Menschen ist; und was Menschen nur irgend hätten sein können, das bist Du mir. Ich kenne Dich dabei so genau, ich täusche mich in nichts, keine kleinste Schwäche — denn wirklich hast Du nur sehr unbe- deutende — ist, mir entgangen, aber es ist gerade diese Wahrheit, die einzige, die es eigentlich auf Erden gibt, dies Ergreifen eines Wesens in seinem eigentlichen ursprünglichen Sein, was nun die vollendete Befriedigung hervorbringt, der nichts abginge, wenn der Besitz und Genuß auf ewig gesichert sein könnte. Meinetwegen sei also nicht besorgt, einzig Wesen, als nur, wenn ich von Dir getrennt bin. Ich hänge allerdings sehr an Italien und kehrte gern dahin zurück. Aber ich weiß aus Erfahrung, daß im stillen schönen Leben mit Dir auch gleichgültige Örter mir bedeutend werden, daß die Stimmung des innersten Gemüts dieselbe, nur gleichsam die Farbe verschieden ist. 391