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[ Band 3 Brief 183: Caroline an Humboldt Neapel, 27. April 1810 ]
183. Caroline an Humboldt Neapel, 27. April 1810 Mein allergeliebtestes, teuerstes Herz! Ich reise etwa den 2. oder 3. Mai von hier ab und arbeite dann fleißig in Rom und segle ab, sobald ich fertig bin. Nein, mein liebes Herz, ich will nicht länger ohne Dich das Allerschönste genießen, ich meine Italien, ich will zurückkommen, und wir wollen in ein paar Jahren wieder kommen und drinnen sterben. Es winkt ja ein freundlich Plätzchen bei der Pyramide und ein recht vertrautes und nahe, nahe verwandtes! Ich habe sechs sehr schöne Tage verlebt. Sonnabend, den 21., reisten wir nach Salerno. Kniep, der Maler *), ein sehr lieber Mensch, eine Art von Schlabrendorff, und Baron Müller von Lilienstern, den Du kennst, er war in Rom während meiner Abwesenheit um Moltkens Zeit, begleiteten uns in einem andern Wagen. Die Schönheit der Gegend von Salerno, diese Vermählung des Himmels mit der Erde beschreiben zu wollen, wäre nur Torheit. Mündlich werde ich Dir davon erzählen. Nachdem wir den 21. abends und den 22. früh uns satt spazieren gegangen waren, gingen wir den 22. nach Eboli, wohin ich an einen wohlhabenden Partikulier adressiert war. Wirts- häuser gibt es dort nicht. Wir wurden freundlich aufgenommen und bewirtet, und Tags darauf den 23. fuhr ich mit einem andern Wagen und vier Pferden nach Pästum bei Tagesanbruch, wohin übler Weg ist, und was noch 14 Miglien von Eboli liegt. Es war Hermanns Geburtstag. Wir kamen 1/2 9 Uhr an und blieben 3 1/2 Stunden dort. Die Größe dieses Anblicks ist über alle Be- schreibung. In einer herrlichen Berggegend und nahe am Meer ——— *) Christoph Heinrich Kniep, geb. 1748, † 1825, Zeichner. Zuletzt Professor der Kunstakademie in Neapel. Goethes Begleiter auf der Reise nach Sizilien. 385