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[   Band 3 Brief 182:    Humboldt an Caroline    Berlin, 28. April  1810   ]


überein gekommen, daß einen solchen Brief nur ein Kind schreiben
kann, das in Italien aufgewachsen ist. Natur, Kunst, Antiquitäten,
dann wieder alle Sprachen und die ganze Familie und Haus-
genossenschaft gehen und doch ohne eigentliche Verwirrung neben-
einander darin herum.
Theodor führt sich sehr gut. Er ist vor kurzem ganz allein
mit Hellmuth ohne Laroche und mich auf einem Ball beim
Geheimen Staatsrat Staegemann *) gewesen, bei dem ich oft in
Königsberg war, und alle haben seine Artigkeit gerühmt und über
seine Schönheit wahre Bewunderung geäußert. Er ist wirklich auch
von ausgezeichnet edler und vornehmer Gestalt und Aussehen.
In Absicht der Physiognomie habe ich eine närrische Er-
scheinung gehabt. Es ließ sich bei mir ein Leutnant von Homboldt
melden und aß bei mir. Dieser Mensch hat wunderbare Schicksale
gehabt und sich recht brav genommen, ob er gleich nicht viel Geist
zu besitzen scheint. Er sieht dem Alexander sprechend ähnlich, nur
wie ein weniger kluger Mensch einem sehr geistvollen. Er stammt,
soviel ich weiß, von einem natürlichen Sohne eines unsrer Vater-
brüder ab, indes muß, wie ich von ihm höre, nur sein Eltervater
ein Bruder des unsrigen, sein Großvater aber schon der natürliche
Sohn gewesen sein, und doch hat sich die Ähnlichkeit so erhalten.
Mir sieht er gar nicht gleich, ich gleiche aber auch mehr meiner
Mutter als meinem Vater, und so wundert es mich nicht.
Lebe herzlich wohl, teures, liebes Wesen.
Ewig von innigem und tiefem, tiefem Herzen. Dein H.

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*) Friedrich August v. Staegemann, geb. 1763, † 1840.

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