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[   Band 3 Brief 183:    Caroline an Humboldt     Neapel,             27. April 1810   ]


liegen diese Tempel. Der mittlere ist über allen Ausdruck durch
sein Verhältnis, die Farbe des Steins, und er ist unglaublich er-
halten. Wir frühstückten drinnen, und ich kann wohl sagen, es hat
mich nie ein solches Gefühl von Bewunderung und zugleich von
Sehnsucht nach Dir übernommen. Oh! wärst Du bei uns
gewesen!
Wir fuhren darauf nach Eboli zurück, fanden unsere Carretella
vor dem Ort und fuhren mit ihr bis Salerno, wo wir schliefen.
Den 24. gingen wir nach Castellamare und von da zu Wasser
nach Piano di Sorrento. Da sind wir den 24. und 25. geblieben
und haben die Gegend zu Fuß und zu Wasser bis Capri hinauf
bestrichen, die einzig ist. Piano di Sorrento ist eine Ebene, die aus
der Tiefe des Meeres heraufsteigt, 500 Fuß hoch, ein einziger
Basaltfelsen. Da ist eine Vegetation, von der man gar keinen Begriff
vorher hat. Diese Ebene ist mit unzähligen Dörfern und Städten
übersät, und hinter ihr türmen sich die höchsten Berge der Gegend.
Sie fällt schnurstracks ins Meer. Da oben ist eine Luft, wie der
reinste Äther. Ich blickte von einer Höhe in beide Meerbusen
nach Salerno bis Pästum und in den Golf von Neapel. Gott,
Lieber, wärst Du doch dagewesen!
Gestern Morgen reisten wir von Sorrento wieder ab und
kamen über Castellamare zurück. Das Wetter war dunkel geworden,
sonst wär ich erst heute wiedergekommen und hätte heute früh den
Vesuv bestiegen. Die kleinen Mädchen sind göttlich gewesen, immer
infatigabel. Man könnte, sagt immer Rauch, mit ihnen eine Reise
um die Welt machen.
Ich muß abbrechen und umarme Dich, teures Herz.

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