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[ Band 3 Brief 170: Humboldt an Caroline Berlin, 6. März 1810 ]
angewandt, und dann setzt er hinzu: »es ist seltsam, und ich weiß mir’s kaum zu erklären, aber ich habe mehr Vertrauen zu Ihnen, wenn ich Sie mir noch als Deutscher zu Rom denke«. Man muß wenigstens gestehen, daß der Mann sich besser als die gewöhnlichen auf die Kunst versteht, etwas Gefälliges zu sagen. Dein Urteil über die Wahlverwandtschaften ist auch großen- teils das meinige *). Die Staël schreibt mir fast aus der Seele darüber. Sie sagt: »le . . . ne me plait pas du tout (das ist für mich zu stark) il tend à dépouiller la vie de toute . . . l’on—y meurt d’amour, sans que pour cela les sentiments inspirent plus d’interet et que les caractères paraissent plus sérieux, il semble qu’il cherche à caractériser en tout l’empire du hasard.« Das letztere finde ich äußerst wahr. Schicksal und innere Notwendigkeit vermisse ich vor allen Dingen darin. Auch glaube ich im Gespräch mit Goethe entdeckt zu haben, daß sehr viel Reminiszenzen in dem Roman aus dem wirklichen Leben angebracht sind, die er nun nicht genug poetische Kraft oder Stimmung gehabt hat, in ein Ganzes gehörig zu verschmelzen. Ihm aber darf man so etwas nicht sagen. Er hat keine Freiheit über seine eigenen Sachen und wird stumm, wenn man im mindesten tadelt. Es schadet dem Verhältnis und hilft nicht der Sache. Herr von Hymmen interessiert mich nach Deiner Schilderung. Ob er uns hier aufsuchen und finden wird? Es ist lächerlich zu sagen, aber, glaube mir, es wechselt hier jeden Tag, und noch seit heute mittag bin ich sehr ungewiß, ob ich in meiner Lage bleibe. Aber das geht immer wieder über, und laß Dich darum nicht stören. Allein am Ende brichts doch. Εσσεται ἦμαρ ὅτ' ἄν ποτ' ὀλώλη Ἴλιος ἱρή **). Umarme alle. Mit inniger und sehnsuchtsvoller Liebe Dein H. ——— *) Hier fehlt ein Stück Papier, so daß vier Zeilen ohne Ende sind. **) »Einst wird kommen der Tag, wo die heilige Ilion hinsinkt.« 356