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[ Band 3 Brief 169: Humboldt an Caroline Frankfurt a. d. Oder, 4. März 1810 ]
169. Humboldt an Caroline Frankfurt a. d. Oder, 4. März 1810 Du mußt nicht erschrecken, liebe Li, mich abermals unterwegs zu sehen. Ich gehe, ob ich gleich auf dem Wege nach Königsberg bin, diesmal nicht weiter; bin bloß herge- kommen, um den Professoren ein Trost und ein Schrecken zu sein, und gehe übermorgen nach Berlin zurück. Im Grunde ginge ich freilich lieber nach Königsberg. Allein, wie ich jetzt bin, habe ich, wenn ich Theodor ausnehme, an niemand in Berlin rechte Freude. Ich bin mit Süvern *), der einer meiner Staatsräte und ein interessanter und mir anhänglicher Mensch ist, hergereist, wir haben aber wenig voneinander genossen. Wir fuhren gestern abend um 7 Uhr aus Berlin aus, und ich habe, meiner Gewohnheit nach, die ganze Nacht prächtig geschlafen. . Hier in Frankfurt jetzt als Herrscher zu erscheinen, wo ich vor 22 Jahren als Student sehr verliebt in die Herzen herumging, macht mich oft sehr lachen. Der Mensch bleibt aber immer der nämliche. Damals zählte ich Tag und Stunden, wo ich wieder in Berlin sein würde und rechnete es immer im Kalender aus. Jetzt streiche ich in Berlin ebenso jede Woche und freue mich, wenn der Raum bis zum 1. Julius kürzer wird. Zürne mir aber nicht, liebe Seele, daß ich meine kindische Verliebtheit in die große Schwester **) (wie die Wolzogen sie immer nennt) mit meinem Gefühl für Dich in Vergleichung bringe. Es ist nur ein Scherz, denn sonst leidet nicht einmal die Ungeduld der Sehnsucht irgendeine Vergleichung. Die Schwester, da ich einmal von ihr spreche, ist übrigens von großer Zärtlichkeit und wirklich doch noch, wenn irgend etwas Toi- lette hinzukommt, sehr schön. »Und ich bin galant!« Wenn wir ——— *) Vgl. S. 146. **) Henriette Herz, »Schwester« im Sinne der »Verbindung« in den Jahren 1788—1790. 351