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[   Band 3 Brief 163:    Humboldt an Caroline    Berlin, 10. Februar 1810   ]


vertrauten Fuß zu leben. Ob es gleich sehr wahr ist, daß ich
keinen Haß kenne, so habe ich doch auch eine Art der Unerbitt-
lichkeit, und wenn ich einmal mit jemand in der Tiefe des Herzens
gebrochen habe, so gibt es keine Brücke zur Rückkehr mehr. La-
sciate ogni speranza voi ch’entrate heißt es da wirklich. Es ist
auffallend, im Vorbeigehen dies zu erwähnen, daß die Motherby
in Königsberg mir das gleich angesehen hat. Sie fürchtete sich
ordentlich sich mir zu nähern, weil sie meinte, daß, wenn ich einmal
aufhörte, jemandem gut zu sein, ich ihn auch mit unbesieglicher
Kälte behandelte. . . .
Bei ** fällt mir ein, liebe Li, daß die Nachricht vom Minister-
sein für mich falsch ist. Ich bin es nicht, und es ist nicht wahr-
scheinlich, daß ich es werde. Es wäre dies ein sehr kleines Übel
für das Ganze und für mich. Allein es geht alles hier schief und
vieles rückwärts, und das ist ernsthaft schlimm.
Carl *), der die Liebe selbst für mich ist und mit seiner alten Dir
bekannten Treue über alles, was meinem Rufe schaden könnte, wacht,
ist mit ** gar nicht zufrieden. Er behauptet, er suche Einfluß bei
Dohna, der mich auch mehr fürchte als liebe, und werde da ebenso-
wohl gegen mich arbeiten; auch sei er schon jetzt sehr unzufrieden mit
mir, daß ich ihn nicht genug protegiere. ** von seiner Seite erzählt
mir Wunderdinge, von dem, was die Leute von und über mich sagen,
ich höre das alles an und gehe meinen Weg ruhig fort, tue in
meinem jetzt sehr weitläuftigen und sehr abgerundeten Geschäfts-
kreise, was ich kann und lasse sonst dem Neid, dem Haß und der
Kabale freies Spiel. Macht man es mir zu bunt, so trete ich leise
heraus und bewahre so mehr Würde, als wenn ich mich unter
diesen sich ewig um widrige Dinge drehenden Haufen mischte.
Die Guten behalte ich immer für mich.

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*) v. Laroche.

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