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[   Band 3 Brief 157:    Humboldt an Caroline    Weimar, 20. Januar 1810   ]


                                              Halle, 22. Januar 1810
Wie Caroline oft konfus ist, liebe Li, so hat sie mir auch
die Posttage in Weimar falsch angegeben. Mein Brief hätte
noch zwei Tage in Weimar liegen bleiben müssen, und ich habe
ihn also lieber hierher mitgenommen. Nur mußt Du verzeihen,
wenn Du jetzt vielleicht einen Posttag ohne Brief geblieben bist,
Auf der Reise ist es fast unmöglich, so genau zu sein. In Berlin.
weißt Du, versäume ich keinen Tag.
Die Reise ist mir recht gut bekommen, und meinem Auge ist so
gut als nichts mehr anzusehen. Du glaubst nicht, wie lieb Goethe mit
mir, auch mit meinem kleinen Übel gewesen ist. Ich mußte alle halbe
Stunden etwas ins Auge träufeln. Goethe hat das nun immer selbst
und mit einer Sorgfalt getan, von der Du keinen Begriff hast. Er
ist noch nie gegen Dich (denn er hat unendlich oft von Dir ge-
sprochen) und mich so lieb gewesen. Die Zeichnungen der Bas-
reliefs und der Kinder haben ihn sehr gefreut. Er hat sie sich
durchzeichnen lassen. Dein Bild hat in Weimar außerordentliches
Glück gemacht, was mich sehr gefreut hat. Ich zeige es in der
Regel nicht, weil es zu alt und viel weniger hübsch ist, als Du bist.
Aber Caroline wünschte es zu sehen und hat sich so unendlich daran
gefreut, daß Du uns nicht von der Seite gekommen bist. Wir
haben Dich auch in die Eßstube mitgenommen, um Dich in keiner
Zeit zu entbehren, und das gute Kind hat mit uns Tee getrunken
und gegessen. Ach! mit unendlicher Rührung haben wir Dich an-
gesehen und geküßt und die Sehnsucht, die auch Caroline sehr nach
Dir hat, getäuscht. Du liebes, einzig schönes Wesen!
Die vorige Nacht war ich in der Schulpforta bei Ilgens *).
Du wirst mich sehr mild finden, daß ich einen ganzen Tag lang-

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*) Karl David Ilgen, 1764——1834, Philolog und Schulmann, war
1794 Professor der orientalischen Sprachen in Weimar und seit 1802 Rektor
von Schulpforta.

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