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[ Band 3 Brief 155: Humboldt an Caroline Erfurt, 15. Januar 1810 ]
Die Welt weiß das wenig. Aber wer darauf acht gibt, dem entgeht es nicht. Aber meine arme liebe kleine Li soll gewiß, wenigstens mit meiner Schuld nicht leiden. Mir ist es nur immer, als wenn die Männer so ganz unvermeidlich immer etwas anfingen, senza che eine Frau sich doch viel behaglicher findet. Lache mich immer ein wenig aus. Aber es ist mein wahrer und bitterer Ernst. Es scheint, daß ich auch Chef des ganzen Medizinalwesens geworden bin, doch weiß ich es noch nicht. Nur wenden sich Ärzte, Chirurgen, Akkoucheurs bis hierher an mich und empfehlen sich meiner Huld. Diese neue Stelle würde meine Geschäfte sehr vermehren, und sie wäre schwierig, da das Medizinalwesen in höchst erbärmlichem Zustande ist und es an brauchbaren Menschen fehlt. Allein ich hätte es doch gern. Ich habe immer die Medizin geliebt, es vermehrt das Ansehen und die Klienten, und wenn man einmal in Geschäften lebt, ist das Herrschen doch gut. Ich selbst mache mir zwar so viel nicht daraus. Allein Caroline hat eine Passion darauf und reizt mich immer an, den Staat zu despotisieren, wie sie es nennt. Sie ist wirklich unbezahlbar, reisen, herrschen, lieben, alles soll man auf einmal. Mit meinem Auge geht es besser, allein ganz geheilt ist es noch nicht. Aber Du hast die Augen so lieb, Du hast sie so oft geküßt, mein himmlisch teures Wesen, daß sie wohl ein wenig für Dich leiden können. Und sonst diktiere ich alles, und wesentlich schadet es ihm nicht, eher den Deinen, die schlechte Hand zu lesen. Der Motherby muß ich wirklich mit französischen Buchstaben schreiben, sie hat geradezu deklariert, die deutschen nicht lesen zu können. Aber Dir könnte ich es nicht. Recht herzlich läßt sich nur Deutsch schreiben. Ewig mit gleicher Liebe Dein H. 318