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[   Band 3 Brief 154:    Caroline an Humboldt     Rom, 13. Januar 1810   ]


154. Caroline an Humboldt                     Rom, 13. Januar 1810

Ich fange wieder mit Nummer 1 an, da die 100 voll sind,
mein teures Herz. Aber ich habe heute solche fatalen
Nervenschmerzen in den Händen, daß ich nicht viel werde
vor mich bringen können, denn sie hindern ungemein am Schreiben.
Es ist wahrscheinlich Effekt von der Kälte, die ganz außerordentlich
stark seit drei Tagen ist.
Ich habe gestern einen sehr glücklichen Tag durch Deine beiden
Briefe gehabt. . . . Also ist es so amüsant, unter den Vasallen
herumzureisen und Gnaden auszuteilen? Ach, wie bist Du lieb
und immer, immer so hübsch aufgelegt, selbst in den Schrecknissen
der Klopfgasse und zwischen dem Berg und dem Turm. Wie bist
Du gut! Das ist einmal einzig in seiner Art!
Madame Degérando *) kam gestern in Eile zu mir und sagte
mir, es stände im Moniteur, Du seist Minister geworden, und hatte
eine größere Freude daran als ich, denn der Titel macht mich um
nichts auf Erden froher. Aber insofern Deine Dienstverhältnisse
dabei gewinnen, nehme auch ich einen recht herzlichen und freudigen
Anteil daran, mein süßes Herz, und wünsche Dir innigst Glück.
Ich mache aber doch noch die alte Adresse, bis Du es mir selbst
schreibst. Il vaut mieux trop tard que trop tôt. So hast Du
denn Deine Geschäfte in Thalebra schnell beendigt? Ich be-
wundre Dich wirklich und bin mit allem zufrieden, was Du machst.
Die Nachricht der Erhebung Lucians **) zum kaiserlichen Prinzen

———
*) Vgl. S. 220
**) Napoleon I. bot seinem Bruder die Kronen von Italien und Spanien
unter der Bedingung an, daß er sich von seiner zweiten Gattin, der Witwe
eines Wechselagenten Jouberthon, Alexandrine Laurence de Bleschamp, die
er 1803 geheiratet hatte, trenne. Lucian aber wies dieses Ansinnen zurück,
und erbitterte dadurch den Kaiser so, daß er mit den Seinen 1810 nach
Nordamerika zu übersiedeln beschloß. Er wurde jedoch von englischen Kreuzern

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