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[ Band 3 Brief 106: Caroline an Humboldt Rom, 16. August 1809 ]
ich weiß nicht warum, wie eine wilde Jagd vor; die zahllosen Raketen und besonders die langen, schlangenartigen Razzi wie Feuerboten in den dunkeln Himmel und die schauervolle Nacht hinausgesandt. Mein Herz pochte hörbar, und ich fühlte manch- mal, wie mir der Atem stockte. Mir ist noch nie so bei einem Feuerwerk gewesen, es ist auch recht kindisch, so zu sein. Ach, wie schön ist aber Rom! Gott! Warum bist Du nicht hier! Mich ergriff es aufs neue so vorgestern, wie ich hereinfuhr, daß ich wie eine Närrin weinte und lachte. Alle Macht der Er- innerung drängte sich auf mein Herz zusammen. Süßer Wilhelm, Dein heilig Bild, Deine im Sterben leuchtenden Augen, Deine Lieblichkeit, Dein Leiden, Dein Verbluten, alles stand mir wieder vor dem Sinn! — Ach, ich will antworten auf Deinen Brief, sonst komme ich heute zu nichts, — wenn man so auf ein paar Tage hereinkommt in die Stadt, ist es unglaublich, wieviel Kleinigkeiten auf einen eindringen und besonders die ellenlangen Visiten, und vor den Kopf stoßen will ich auch niemand. Du freust Dich über Degérandos *) Kommen nach Rom, auch ich. Er und sie machen grand cas de nous deux. Ich war gestern vormittag bei ihr und esse heute en famille mit den drei Mädchen bei ihr. Alexander hat mir durch sie drei hübsche Kleider für Caroline, Adelheid und Gabrielle geschickt. Akerblad **) ist ganz verliebt in Madame Degérando, und beide sehen sich ähnlich wie Bruder und Schwester. Ich bin der Canal des graces bei Degérando, seitdem ich hier bin, aber komisch genug, sonst ist man das gewöhnlich fürs Bitten, um etwas zu erlangen, aber hier ist alles jetzt verkehrt, alle Menschen bitten nichts zu bekommen, nichts zu werden. Du wirst Dir das erklären. Ich ——— *) Degérando, französischer philosophischer Schriftsteller, unter Napoleon I. Generalsekretär im Ministerium des Innern. **) Vgl. S. 108. 220