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[ Band 3 Brief 153: Humboldt an Caroline Erfurt, 7. Januar 1810 ]
Was ich aber voraussehe, ist, daß der jetzige Minister des Innern sich nicht wird halten können und daß ich dann zugleich auch abtreten muß, und was ich dabei fürchte, ist, daß sich dies nicht jetzt vor Ostern, wo wir uns noch über unsere Privatlage rein be- stimmen könnten, entscheiden wird, sondern erst dann, wenn wir werden gezwungen gewesen sein, uns doch einigermaßen einzurichten; das ist unendlich fatal. Aber was soll ich tun? Jetzt gleich, weil ich die Notwendigkeit doch voraussehe, meinen Abschied nehmen? Ich kann es wirklich nicht. Es wäre, wie die Sachen einmal stehen, undankbar gegen den König, es schadete meinem Ruf. Es ist mir so lieb, abwesend und also außer allem Verdacht des Intrigierens zu sein. Also bleibt nichts übrig, als daß ich mich der Ungewißheit hingebe, und ich sage Dir alles dies nur, damit Du mich darin entschuldigst, wenn wir wirklich das Unglück haben, mit einer Einrichtung, die nicht dauert, Geld wegzu- werfen, sähest, daß ich es nicht zu ändern vermochte, und mir, wenn Du kannst, einen Rat gibst. Auch dafür vermisse ich Dich so sehr. Die vorige Nacht, nicht die letzte, war Niemeyer *) und Kefer- stein **) bei mir. Sie reisten zum Reichstag nach Kassel, und ich hatte sie gebeten, bei mir zu bleiben. Sie haben oben geschlafen, und Du hast uns ein sehr gutes Souper gegeben, holde Seele. Wie Niemeyer oben in die Stube trat, und ich ihm sagte, es sei Deine gewesen, sagte er: »aus dieser Stube mag ich manchen Brief bekommen haben«! Er gäbe sich überhaupt gern das Ansehen, Dich gebildet zu haben. Über die Menschen! Aber ich bin immer gern mit allen freundlich, die Dich sehr preisen. Addio! Ewig Dein H. ——— *) August Hermann Niemeyer, 1754—1828, Theologe. Seit 1808 Mit- glied der Reichsstände des Königreichs Westfalen und Kanzler der Uni- versität Halle. — *) Christian Keferstein, 1784——1869, Geognost. 314