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[   Band 3 Brief 149:    Caroline an Humboldt     Rom, 30. Dezember 1809   ]


Ich habe mich die letzte Zeit her noch eingezogener für Gesell-
schaften gehalten, wegen meiner Trauer. Du hast mir niemals
mehr etwas von Kunths sehr krankem Kinde geschrieben, ich hoffe
doch, es ist durchgekommen. Es ist mir immer so kurios, wenn
Werner *), den ich jetzt so oft sehe, so breit von seinem verehrten
Freunde, dem Staatsrat Kunth spricht. Werner ist interessant, aber
bizarr. Man muß viel gewohnt werden. Ihn, den jungen Schlosser **),
einen Franzosen, Monsieur de Cassé, und Madame Degérando sind
die Menschen, die ich am meisten sehe. Schlosser ist wohl der
liebenswürdigste, so eine frische, jugendlich volle Natur. Cassé
ist artig, fein und hat eine besondere Freude, abends ein paar
Stunden bei mir zu sein. Die Degérando ist wirklich sehr gut
und versichert, ich sei ihr einziger Trost in Rom. Als ob man in
Rom einen Trost brauchte! Es ist eigen mit den Menschen.
Wenn aber nur jeder in seiner Art ist, was er sein kann, so wird
man eigentlich mit allen fertig. Das Herausgreifen aus seiner
eigenen Natur ist peinigend, denn es ist, ach, nur ein Greifen ins
Blaue — und manchmal ins Graue!
Die Templeschen Kinder sind recht rührend, denn sie sind so
zutraulich und lieb, als wenn sie meine eigenen wären, und wo sie
mich sehen, springen sie mir in die Arme. Alle Sonntag sind sie
den ganzen Tag bei mir und Mittwoch sind unsre beiden Kleinen
bei ihnen. Caroline liest eben die letzten Verse in der Iliade mit
Amati. Akerblad meint, sie sollte dann den Anakreon lesen. Ich
denke, man läßt sie ein nicht schweres Trauerspiel vom Euripides
anfangen.
Meine allerherzlichsten Glückwünsche zum neuen Jahr, mein
bestes, liebstes Wesen. Erhalte mir Deine Liebe und Güte. Ich
schließe für heute und umarme Dich. Wenn Du es erlaubst und

———
*) Vgl. S. 82.
**) Goethes Neffen.

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