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[ Band 3 Brief 148: Humboldt an Caroline Erfurt, 28. Dezember 1809 ]
148. Humboldt an Caroline Erfurt, 28. Dezember 1809 Ich sitze seit zwei Tagen in lauter Wäsche und Betten und bunter und weißer Leinwand, liebe Li. Dunkers Krank- heit ist mir ein unglaubliches Hindernis überall, und ich fürchte noch immer sehr für ihn. Das Zusammensuchen aller Dinge war ziemlich mühsam, und in allen Leuten Papas ist ein Geist der Langsamkeit, der Weitschweifigkeit und des Widerspruchs, mit dem man ewig kämpfen muß. Ich habe hier so hübsche, fromme Briefe an Papa und selbst- gemachte Verse zu seinem Geburtstage von 1784—1785 gefunden, die ich sorgfältig aufhebe. Unendlich vieles führt mich überhaupt in Deine Mädchenzeit zurück. Du hast wirklich das Geheimnis besessen, beides, Mädchen und Frau gleich vollendet in jeder Art zu sein. Denn nie ist ein Mädchen reiner, unschuldiger und liebens- würdiger, natürlicher wie Du, mit denen warst, die Du liebtest, froher gewesen, und das ist nun so übergegangen, daß Du noch jetzt Dich gar nicht geändert zu haben scheinst. Diese Erinne- rungen sind auch meine einzige Freude hier. Sonst ach! ist es schrecklich öde, einsam, langweilig. Briefe habe ich noch so gut als gar nicht. Nur einen von Hedemann *). Dieser liebt mich mit wahrer Leidenschaft, und konnte zuletzt in Königsberg keinen Abend von Prinz Wilhelm, bei dem er ist, frei sein, ohne mich auch am dritten Ort aufzusuchen. Ich bin ihm auch sehr gut. Er hat eine Reinheit in allen Gefühlen, eine Natürlichkeit in jeder Äußerung und eine Wärme für alles Edle, wie man sie vielleicht nie wieder zugleich so liebenswürdig ——— *) Vgl. S. 239. Hedemann, Flügeladjutant des Prinzen Wilhelm, Bruder Friedrich Wilhelms IV., heiratete 1815 Humboldts Tochter Adelheid. 301