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[ Band 3 Brief 125: Humboldt an Caroline Königsberg, 17. Oktober 1809 ]
und in Deinem unendlich großen und tiefen Wesen habe ich klarer und heller als in mir selbst alles erkannt, was die Menschheit je von irgend einer Seite her zu bewegen vermag. Deine Beschreibung vom Tag in Palazzuola hat mir die ganze Gegend wieder mit unbeschreiblicher Sehnsucht vor die Einbildungs- kraft zurückgeführt. Aber ich kann mich noch nicht ihr fremd denken, solange ich Dich dort weiß. Ich scheide, wie sonderbar es klingt, so ist es doch recht einfach wahr, erst dann von ihr, wenn Du weggehst. Einige Menschen hier hatten mich um meine Stanzen *) ge- beten, und ich habe mir Exemplare von Berlin kommen lassen. Sie waren mir selbst wie fremd geworden, und ich habe sie mit Freude wieder gelesen. Sie werden immer das Verdienst behalten, wie man auch sonst über sie urteile, daß sie den Charakter Roms und der Gegend wirklich wahr und tief ausdrücken. Wer Rom recht kennt, wird es in ihnen wiederfinden. Es ist auch eine gewisse Wärme und Herzlichkeit darin, die es mir sonst selten gelingt auszusprechen. Um so etwas in Sprache und Dichtung übergehen zu lassen, ge- hört eigentlich ein gewisser mittlerer Grad dazu, der nicht zu tief ins eigentliche Leben und in das Herz eingreift. In solchen aber versetze ich mich schwer und bin nicht von selbst darin. Ich würde es am wenigsten für Rom gewesen sein, wenn da nicht der Gegen- stand selbst schon mehr bloß Idee wäre. Es ist gewiß auch darin der Unterschied zwischen Dir und Carolinen **), und je weniger sich vorzüglich eine Frau eigentlich auszusprechen vermag, die sonst klug und gebildet ist und alles in ihrer Gewalt hat, um das Schönste und Größeste zu machen, wie Du, desto tiefer und steter ist sie im Leben und dem wahren Gefühl. Ein wirklicher Mangel hierin, der einen auch unleugbar oft stört, ist doch in Carolinen oft sichtbar. Selbst in Schiller, so ——— *) Humboldts Elegie »Rom«. — **) v. Wolzogen. 266