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[ Band 3 Brief 121: Humboldt an Caroline Königsberg, 10. Oktober 1809 ]
wunderbarerweise habe, die Möglichkeit, mitten unter Dingen, die ich rein nicht achte, an dem zu hängen und immer noch in der Tiefe der Seele in dem zu leben, was mir allein alles ist, sich dadurch hinwegzuheben über das andere, und selbst in diesem noch immer ein Interesse bald der erreichten Zwecke, bald des Spottes und der Belustigung, bald endlich der bloßen Beobachtung zu finden, um nicht zu ermüden, kurz abzubrechen und alles auf einmal aufzugeben. Ich sage Dir das mit Fleiß, liebe Seele, damit Du nicht denkst, daß ich leide. O Gott, ich litte gern für Dich und die Kinder, es wäre mir, wenn ich den Genuß der Gegenwart ent- behren muß, das Süßeste und Hübscheste. Aber eine solche Art von Leiden, wie dies wäre, hat etwas Unedles und Widerliches, und um Deiner selbst würde ich sie nicht übernehmen. Aber ich leide nicht, ich bin heiter, soviel ich es sein kann ohne Dich, ich verliere auch gewiß nicht in meinem Innern. Was ich je machen konnte, mache ich auch jetzt, und vielleicht besser, ich habe manche neue Fertigkeit zuerworben, ich werde die Zeit nie für verloren achten, insofern kannst Du gewiß, einzig liebe Seele, um mich ruhig sein. Allein, lange müßte und darf es freilich nicht dauern, es muß nur ein Zustand sein, durch den man zu einem andern durchgeht. Verzeih, daß ich so viel von mir spreche. Allein ich besorgte, mein letzter Brief aus Memel möchte Dich beunruhigen. Ich hatte nicht Zeit, ausführlich zu sein, und da scheinen einzelne Ausdrücke leicht stärker, als sie sollten. Die letzten Tage meiner Reise sind noch recht angenehm ge- wesen. Drei Tage immer am Ufer des Meeres. Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, daß man sie eigentlich ebensogut als Spanien und Italien gesehen haben muß, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll. Ein schmaler Strich toten Sandes, an dem das Meer unaufhörlich auf einer Seite an- 254