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[   Band 3 Brief 118:    Humboldt an Caroline    Tilsit, 2. Oktober 1809   ]


Es ist mir, als wenn es auf lange die Sehnsucht stillen würde,
die mich oft verzehrt.
Gestern war ich in einer recht angenehmen Familie. Da
Schoen mich sehr liebt, so hat er alle Veranstaltungen getroffen,
daß ich wie ein König reise; überall kommt man mir entgegen,
überall finde ich wirklich sehr gute Diners und Soupers bei den
wohlhabenden Beamten, und die letzten Tage haben sie mir
auch immer Litauer und Litauerinnen in ihren verschiedenen
Trachten gebracht. Die Memelsche Tracht soll freilich die hübscheste
sein. Allein im ganzen ist doch alles sehr nordisch. Vom Hals
bis zu den Knöcheln der Hände und Füße vermummt. Meist lasse
ich sie auch singen. Es sind meist melancholische Laute, immer
nur Molltöne. Dabei rühren sie wohl langsam zum Takt die Hand,
aber die Augen und Köpfe halten sie unverrückt zur Erde geheftet.
Eine Italienerin würde sich nicht satt wundern können. Hübsch
sind sie aber zum Teil recht sehr. Wo ich gestern war, hat man
mir angeboten, der Adelheid und Gabrielle litauische Kleider machen
zu lassen, wenn Du mir ihr Maß, nur die Länge, schicktest. Wenn
Du glaubst, daß es den kleinen Dingern Freude macht, so tue es.
Die römische Beweglichkeit muß sich in der nordischen Tracht
wunderbar ausnehmen.
In Trakehnen, wo die Gestüte sind, ist mir Rauch oft ein-
gefallen. Man ließ mir alle Hengste einzeln in die Reitbahn
führen. Ich habe nie so etwas Schönes von Pferdebewegungen
gesehen. Die höchste Wildheit, — fast jedes stand alle Augen-
blick hochgebäumt über dem Kopf seines Führers, — mit der
größten Grazie bei den meisten verbunden. Unendliche Studien
für einen Bildhauer. Wahrhaft arabische sind nicht mehr, aber
Söhne als schönste, spanische und englische. Das arabische Geschlecht
ist so edel gegen die andern, daß es ordentlich etwas Menschliches
dagegen hat.

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