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[   Band 3 Brief 111:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 8. September 1809   ]


Stein *) ist ein sehr guter Mensch, allein zur Arbeit doch nur
sehr bedingter Weise tauglich. Was noch Wunderbarer ist, so trägt
er auch in diesen Unvollkommenheiten Spuren der Goethischen Er-
ziehung, die man nicht verkennen kann. Ich glaube, daß es ihm ge-
schadet hat, daß Goethe zu sehr mit ihm, wie er überhaupt leicht
überall tut, auf das Reale und Praktische gegangen ist und zu wenig
auf das eigentliche Lernen gehalten hat. Zugleich hat nun aber in
Stein auch eine etwas kalte Natur, die nicht leicht für irgend etwas
Enthusiasmus gewinnt, geschadet. Er ist immer verständig und sagt
nie etwas Unvernünftiges; aber fast keine Sache, die er macht,
hat Hand noch Fuß, man muß immer ändern und weiß nie anzu-
fangen, weil man eigentlich das Ganze ausstreichen müßte. Mich
setzt er in große Verlegenheit. Da ich eine bessere Meinung
von ihm hegte, so bin ich wenigstens mit schuld, daß er herge-
rufen ist und nun beim Minister und mir zugleich arbeitet. Jetzt
will er gern bei mir bleiben, weil es in meinen Sessionen viel
vertraulicher und amüsanter zugeht, und ich weiß nun nicht recht,
wie ich es anzufangen habe. Da ich aber der Mutter sehr gut
bin, werde ich doch sehen, ob er sich nicht auch vielleicht in einigen
Stücken bessern und ziehen läßt. Denn kenntnislos ist er gar nicht.
. . . In Weimar herrscht jetzt große Trauer. Ein bedeutender
Teil des Weimarschen Kontingents ist in Tyrol aufgerieben worden,
und auch sehr viel Offiziere sind, meist von Steinwürfen, geblieben.
Eine Frau von Henning wird Dich sehr rühren. Ihr Mann ist
tot und sie ist gleich wahnsinnig geworden. Indes tut sie nichts,
ist ganz ruhig und sagt nur immer, wenn man ihr von ihrem
Manne und selbst von seinem Tode spricht: er wird mir bald
schreiben. — Die duldende Hoffnung des Wahnsinns ist wirklich das
Ergreifendste, was man sich denken kann. . . . Für den armen

———
*) Sohn von Goethes Freundin Frau v. Stein.

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