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[   Band 3 Brief 110:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 5. September 1809   ]


In Rom also werden die Straßen gekehrt! Die armen Im-
mondezzajos *)!
Es wäre langweilig und weitläufig, Dir die hiesige Lage der
Dinge, ich meine die innere, das Verhältnis der Minister unter
einander und zu mir, auseinanderzusetzen. Auch läßt es sich
nicht immer tun. Aber wie es ist, kann es nicht bleiben. Das
fühlt jeder, und mich trägt man dabei oft im Munde, noch in
diesen Tagen geht in Berlin und hier das Gerücht, daß ich Minister
werden werde. Es ist hieran nichts wahr, als daß es beweist,
daß man zu mir Vertrauen hat. Es entsteht auch vielleicht daher,
daß man mich, obgleich das bloß gesellschaftlich und nie dabei von
Geschäften die Rede ist, mehr mit dem Hofe, als die eigentlichen
Minister, sieht. Auch machte ich mir nicht viel daraus. Die
Sachen stehen einmal so tief übel, daß ich allein sie nicht retten
könnte, und die Exzellenz ist mir gleichgültig und könnte mich nur
für Dich freuen, nicht zwar, als machtest Du Dir etwas daraus,
aber weil es hübsch wäre, daß mein Kind, wo sie wäre, immer
auch zu den ersten gehörte.


111. Humboldt an Caroline           Königsberg, 8. September 1809

Auch mir ist der Aufenthalt hier sehr verhaßt. So wenig
ich Berlin liebe, so sind dort doch außer Theodor, dem
es mir wirklich wichtig ist, nahe zu sein, noch andere, mit
denen es einen herzlicheren und freundlicheren Umgang gibt, als
hier zu finden ist. Von der Seelenlosigkeit, Trockenheit und Kälte,
die hier herrscht, hat man keinen Begriff. Der Hof ist in der
Tat hier bei weitem die unterhaltendste Gesellschaft.

———
*) Straßenkehrer.

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