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[ Band 3 Brief 108: Humboldt an Caroline Königsberg, den 25. August 1809 ]
bunden. Das Höchste und Beste im Leben spielt immer auf schwanker Leiter der Gefühle, und wer könnte da behaupten, immer fest und sicher zu stehen. Wehmut über Selbstgetanes ist eine der reinigend- sten Empfindungen der Seele, und wer sie nicht sogar oft kennt, der ist sich selbst fremd, den hat das innere Leben des Gemüts nur oberflächlich berührt, in dem ist nicht alles beseelt, was am Menschen beseelt sein soll. Ohne Reue wäre auch nicht das wechsel- seitige Verzeihen, das die Liebe so schön und reizend, so tief rührend macht. Der Mensch steht nur bis auf einen gewissen Punkt in seiner Gewalt. Wo er die Spitzen der Dinge verfolgt, da setzt er sich ewig der Gefahr aus, abzuirren, und wem einmal das innere Leben das einzige und wahre ist, der muß ewig Bahnen wandeln, auf denen man wohl auch strauchelt und die Tritte mit Schmerzen be- reut. Wo wäre dann Trost, als bei der Milde der Liebe, die aufnimmt und verzeiht, ja die nicht einmal will, daß man die Bahn des Höchsten verlasse, die einen unerschöpflichen Schatz der Ver- zeihung und Versöhnung kennt, und auch selbst, nie fehlend, vom Gefühle der Möglichkeit des eigenen Fehlens durchdrungen ist. Es ist schrecklich, daß so wenige Menschen der eigenen Emp- findung leben, und noch wenigere zusammen. Bei den meisten gibt der Liebe nur die Jugend und das erste Aufwallen der Gefühle das Menschliche, was sich nicht vertilgen läßt, weil es wie das Keimen der Pflanzen und das Frühlingsregen der Säfte ist, eine kurze Blüte; hernach wissen sie nichts mehr, als sich zu trennen, oder nebeneinander die kalten Wege des Lebens ohne die mindeste Spur tieferer Berührung zu gehen. Wenige haben die Empfindung der Jugend durch alle Alter hindurch wachsen und sich entfalten ge- sehen und mit Wunder gefühlt, wie sie immer gleich geheimnisvoll, gleich tief und unendlich bleibt. Den meisten ist die Jugend des Herzens mitten in aller Vergänglichkeit auf ewig ein Rätsel. Auch ist nicht zu leugnen, daß man sie oft mit Aufopferung der Ruhe 224