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[   Band 3 Brief 105:    Humboldt an Caroline    Königsberg, den 15. August 1809   ]


Jugend das nicht mehr wie sonst bedeckt. Bei Carolinen liegt
aber viel gewiß in den ersten Schicksalen ihres Lebens. Wäre sie
gleich in eine eigentlich innerlich beglückende Lage gekommen, so
wäre sie sicherlich ganz anders geworden, allein sie hat nie eine
Verbindung gehabt, in der innerlich und äußerlich auch nur irgend
große Harmonie gewesen wäre, bei einem anderen Charakter hätte
sie das freilich unglücklicher, aber auch tiefer gemacht, allein nagender
Kummer, hohe und schöne Empfindung des Schmerzes ist ihr
fremd, sie ist dazu wirklich nicht groß genug, ihre Phantasie knüpft
immer wieder scheinbar zusammen, was innerlich schrecklich zerrissen
war, und wenn man es genau nimmt, so sind die Schicksale des
Lebens an ihr vorübergegangen, ohne mächtig auf sie zu wirken.
Allein in Klugheit und Charakterkraft ist sie viel stärker geworden,
und darin findet man gegen die früheren Jahre einen ge-
waltigen Unterschied. Wolzogens gewiß nicht ferner Tod wird
anfangs sehr zerreißend auf sie wirken, aber hernach kann er
ihr nur wohltätig sein. Auch geht dann gewiß noch eine neue
Epoche für sie an.
Küsse die Kinder und lebe innigst wohl.
Ewig Dein H.


106. Caroline an Humboldt                Rom, 16. August 1809

Wir sind vorgestern abend hereingekommen und haben gestern
die Kuppelbeleuchtung und Girandola von der Loge eines
Hauses angesehen, wo wir en face des Feuerwerks
waren. St. Peter und die Girandola waren schöner wie jemals,
ich habe Dich tausendmal zu mir gewünscht. Die kleinen Mädchen
waren außer sich. Mir kam das Feuerwerk bestimmt diesmal,

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