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[ Band 3 Brief 105: Humboldt an Caroline Königsberg, den 15. August 1809 ]
ihm komponierten Marsch mit Chören aus dem Faust: »Burgen mit türmenden Zinnen« usw. aufführen ließ. Die Musik war nicht sehr schön. Manchmal aber komponiert er sehr hübsch. »Neige du Schmerzensreiche« ist ihm wirklich in sehr hohem Grade gelungen. Friedrichstein hat mich an Burgörner erinnert, wie es ehemals war. Das Schloß in Friedrichstein ist weit größer und prächtiger von einem italienischen Baumeister gebaut. Aber die Mauern sind so dick, die Wände so unmöbliert, die Stille so, wie es da sonst war. Es war freilich vielleicht nur, weil ich mich immer so leicht und gern in jene Gegend zurück versetze, und in die Zeit, wo ich Dich zuerst sah. Aber es hat sehr dazu beigetragen, mir den Tag angenehmer zu machen. Die Gegend ums Schloß ist nicht übel, ein weitläuftiger Garten und schöner Baumwuchs, auch einige wirklich hübsch. Aber freilich fällt einem auch da die Armseligkeit des Landes sehr ins Auge. . . . Caroline *) gehört zu den wunderbarsten und am schwersten zu begreifenden Naturen. Noch bei meinem neulichen Besuche bei ihr habe ich mich davon überzeugt, und viel über sie, vorzüglich in Vergleichung mit Dir, nachgedacht. Sie ist unleugbar unendlich viel, sie hat in Geist und Einbildungskraft was unglaublich anzieht, beschäftigt, oft in Bewunderung versetzt, allein es ist wunderbar, daß doch gerade das Tiefste und Beste ihr abgeht. Es ist und bleibt immer eine Natur, die mehr mit der veränderlichen Ober- fläche der Dinge und mit allem was sie anzieht wie mit bunten Seifenblasen spielt, und da sie durch ihre wirkliche Genialität eine große Unabhängigkeit gewonnen hat, so erscheint sie manchmal hart und wirklich minder weiblich und lieblich, vorzüglich seitdem die ——— *) Caroline v. Wolzogen. 218