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[ Band 3 Brief 105: Humboldt an Caroline Königsberg, den 15. August 1809 ]
und Melancholischeres zugleich. Wenn Du diesen Brief erhältst, fallen hier die Blätter schon wieder ab und die Schönheit des Jahres ist vorüber. Genieße nur Du, einzig liebes Wesen, recht in Liebe der Mädchen, des Hermanns, die Du um Dich hast, und in Sehn- sucht nach den Gestorbenen und Abwesenden des heitern schönen Himmels, der Dich weit würdiger umfängt als mich, und den Theodor im ersten Fortrauschen der Kindheit noch nicht zu achten versteht. Es ist mein einziges, recht beruhigendes Gefühl jetzt, mein Kind noch in der alten, einmal lieben, teuer gewordenen Lage zu wissen, und willig entbehre ich darum Deine mir so über jeden Ausdruck liebe Gegenwart. Prinz George *) ist mir in diesen Tagen ordentlich doppelt lieb geworden. Er, sein Geburtstag, alles hat mir die Zeit des Schmerzes lebendiger versinnlicht. Die Königin ist, wie überhaupt gegen mich, so auch am Geburtstag ihres Bruders überaus artig gewesen. Der ganze Hof machte eine Landpartie vom Morgen bis zum Abend nach Friedrichstein, einem Schloß auf dem Lande, das Graf Dönhoff gehört, und obgleich bloß die Familie mit den gewöhnlichen Tischgenossen, den Kammerherren usf. da war, ließ mich die Königin einladen, so daß ich der einzige Fremde war. Es ist — das fällt mir jedesmal bei ähnlichen Gelegenheiten ein — ein wunderbar bewegendes Schauspiel, eine so zahlreiche Fa- milie, Brüder, Schwägerinnen, blühende und hübsche Kinder, die sich alle lieben und wirklich gemacht sind, einfach und glücklich mitein- ander zu leben, einen ganzen Tag auf einem einsamen Landsitz gleichsam sorglos zubringen zu sehen, da in den wunderbaren Krisen der Zeit jede solche Familie jetzt neben und über Abgründen wandelt. Gestern waren wir wieder alle, aber in großer Ge- sellschaft, zusammen beim Kronprinzen, wo Radziwill einen von ——— *) Vgl. S. 106. 217