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[ Band 3 Brief 72: Humboldt an Caroline Königsberg, 8. Mai 1809 ]
reinsten Himmel, und es wird immer nichts weiter, als daß man sie sieht. Die Bäume bekommen nun einen Soupçon von Grün. Was aber hübsch bleibt, ist der Strand vom Pregel. Es kommen jetzt mehr Schiffe und es ist ziemliches Leben beim Ein- und Aus- laden. Sobald es warm und grün wird, will ich nach Pillau und vielleicht auch nach Memel gehn. Das muß man nicht, wie Neapel, versäumen, nach Neapel kommt man immer wieder, aber wer ginge zum zweitenmal nach Königsberg? Es ist eine schändliche Stadt, das weiß Gott, in der alle Menschen, außer mir, sehr schlecht wohnen. Hier aber darf man das nicht sagen. Auch mache ich es, wie Reineke Fuchs unter den kleinen Meerkatzen. Ich lobe alles, und mache ein Kreuz in der Stille. Eine besonders fatigante Partie ist es, wenn ich in Uniform ausfahren muß. Da die Wagen vor Schmutz starren, so muß man studieren, auf so wenig Punkten zu ruhen wie möglich, und wenn es sein kann, gleichsam zu schweben. Dann ist das Pflaster so fürchterlich, daß man Winters oft um- wirft, und die Wagen gehn so hart und stoßen so fürchterlich, daß man ordentlich sich in die Zeit versetzt glaubt, wo die Stahlfedern noch nicht erfunden waren. Dabei kostet solche Partie, auch nur wenige Stunden, gleich zwei bis drei Taler. Bei Dohna, wo ich mittags und abends esse, und der fort- dauernd äußerst freundschaftlich mit mir ist, sind die Tischgespräche sehr oft wie sonst bei uns in Rom. Die Herzens *) scheint er sehr vergessen zu haben. Wenigstens hat er mir noch nicht einmal von ihr gesprochen. Schleiermacher geht jetzt nach Rügen, holt sie dort ab, und heiratet zugleich eine Predigerwitwe *) dort, und hernach werden, heißt es, alle drei zusammen leben. Das Witwenheiraten ist mir von beiden Teilen immer ein Greuel. Und doch verlangte ——— *) Graf Dohna hatte Henriette Herz nach dem Tode ihres Mannes 1803 seine Hand angeboten, die sie jedoch ausschlug. **) Frau v. Willich. 156