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[ Band 3 Brief 72: Humboldt an Caroline Königsberg, 8. Mai 1809 ]
neulich eine Schulmeisterswitwe mit sehr scharfsinnigen Argumenten von mir in einer langen Supplik, daß ich den neuen Schulmeister zwingen müßte, sie zu heiraten, weil das einmal immer so sei und sein müßte. Lebe herzlich wohl. Ewig Dein H. 73. Humboldt an Caroline Königsberg, 16. und 17. Mai 1809 Es ist ein schöner warmer Tag, teure Li, und ich habe einen langen Spaziergang gemacht. Die Bäume fangen eben an auszuschlagen, die Weiden erscheinen wenigstens in der Ferne grün, und die Sache fängt an, so erträglich zu werden, als es hier möglich ist. Aber wie nackt alles, und kahl und armselig, es kann höchstens eine Stimmung hervorbringen, wie die der Worte, welche der Magister immer im Munde führte: »wo die dunklen grauen Weiden stehn«, eine gotische Wehmut, ohne die innere Freiheit bei der äußeren Gebundenheit, ohne die ruhige Klarheit der Trauer bei der Entbehrung der Fröhlichkeit. Es mahnt mich jetzt oft an die beiden Frühlinge, die ich vor unsrer Heirat nach meiner Reise in Berlin zubrachte. Gleiche Sehnsucht in gleich öden Um- gebungen drängte mich auch da; nur war die Zeit noch leicht und das Leben lag noch unentfaltet vor uns. Doch bin ich eigentlich jetzt mit unserm Sein zufriedener. Und wie könnte man es anders? Freuden und Leiden verweben sich innig mit dem Gemüt, werden zum andern Dasein, und man kann ebensowenig von ihnen als vom ersten scheiden. Ich habe jetzt die Sache mit der Annahme des Dacherödenschen Namens für Theodor gemacht, und ich schicke Dir hier einliegend Abschrift der Kabinettsorder. Papan wird es sehr freuen, es ist 157