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[   Band 3 Brief 72:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 8. Mai 1809   ]


72. Humboldt an Caroline            Königsberg, 8. Mai 1809

Ich bin heute abend mit Fleiß zu Hause geblieben, um Dir
ruhig zu schreiben und einige andere Dinge abzumachen.
Ich treibe meine Geschäfte, wie es mir einmal eigen ist,
mit einer Art Mut und selbst Heiterkeit, wenigstens Freiheit von
Sorgen, aber wenn ich nun in mich zurückkehre, dann sehe ich
freilich, daß es eine Art Wahnsinn ist, zu arbeiten, als würde
man nun jahrelang der Ruhe und Sicherheit genießen, wie jetzt.
Man erfährt in dieser Entfernung kaum ordentlich, was in Deutsch-
land vorgeht, darum schon schreibe ich nicht davon. Aber aus den
Zeitungen wirst Du sehen, daß sich in Berlin Dinge zutragen,
die unerhört sind, seitdem es eine Preußische Monarchie gibt. *)
Wo diese Auflösungen enden werden, kann niemand mit Sicherheit
voraussehen, aber vorgehen konnten sie nicht, ohne viele falsche
Schritte. Es ist niederschlagend, von diesen Zeuge gewesen zu sein,
sie bemerkt, bezeichnet zu haben, und nicht imstande gewesen zu
sein, auch nur einen zu verhindern. Und doch ist mirs sehr lieb,
daß mein Geschäft mich fern hält, daß ich mir gegen niemand
Vorwürfe zu machen habe, und mein Name intakt bleibt. Dabei
fehlt es hier an Kabalen nicht.
Der König und die Königin sind fortdauernd sehr gnädig und
gütig gegen mich. Noch neulich auf einem Konzert beim Kron-
prinzen haben sie sehr viel mit mir gesprochen. Der Königin hat
Deine Schilderung der Raphaelschen Gemälde außerordentlich ge-
fallen. Sie hat mir ausführlich davon geredet. Jetzt hat sie die
Prinzessin Wilhelm.
Das Wetter ist hier jetzt heiter, schöner Sonnenschein, aber
keine Wärme. Die Sonne steht Gott weiß wie viel Stunden am

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*) Das Vorgehen Österreichs gegen Napoleon hatte namentlich in Berlin
eine große Begeisterung erregt, die Schills kühnes Unternehmen ermöglichte.

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