< zurück Inhalt vor >
[ Band 3 Brief 68: Humboldt an Caroline Königsberg, 29. April 1809 ]
wirklich arm zu werden. Indes verliere ja den Mut nicht, einzig liebes Herz. Denke auch nicht, daß ich verdrießlich oder traurig bin. Nur unsere Trennung bewegt mich schmerzlich, sonst nichts auf der Welt. Mein Sinn bleibt rein und frei, und wir mögen uns durch diese Mühseligkeiten durcharbeiten oder neue Verluste erleiden, so rechne immer, teures Wesen, mit Sicherheit auf Dich und mich. Wir haben beide viel, wodurch man sich vorwärts hilft, und alles, womit man, wo nicht zu helfen steht, trägt, ohne zu sinken, und die Schauspiele der Welt sind jetzt groß. Der einzelne geht leicht darin unter, aber es wird ihm auch leicht, sich, und sobald es nur unverschuldet ist, sein Untergehen zu übersehen. Ich habe nie mehr Lebensmut gehabt. Alle Augenblicke fällt mir Goethes »Das Leben ist lang« ein, und sterben tun wir doch vermutlich, wo wir auch einmal sterben, nur in Italien und nicht weit von der Pyramide. Der Wille, den man in eigentlichen Handlungen übt, hängt schrecklich vom Schicksal und selbst von solchen Zufälligkeiten ab, die man nicht gern mit dem Namen des Schicksals beehrt. Aber der Wille, der tiefer in der Seele liegt, der die ganze Handlungs- und Lebensweise betrifft, an den glaube ich un- endlich. Darum überlasse ich gern die einzelnen Dinge dem Zufall, wirke wenig geradezu ein, aber beharre fest auf meinem Wollen und benutze lieber die Umstände, wie sie sich finden, als daß ich sie selbst geflissentlich hervorbringe. Auf diese Weise zwingt man die Menschen sehr bestimmt, indem man ihnen an- scheinend und wirklich viel Freiheit läßt und bestimmt am Ende doch selbst sein Schicksal. So nun hoffe ich, soll es auch uns in Rom wieder zusammen- führen. Komme ich nicht wieder, gehst Du schwerlich vor dem Frühjahr 1810. Wie ich es bedenken mag, halte ich es für besser, den Schmerz und alle Widerwärtigkeiten der Trennung noch diese 149