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[ Band 3 Brief 60: Humboldt an Caroline Berlin, 4. April 1809 ]
60. Humboldt an Caroline Berlin, 4. April 1809 Ich muß nach Königsberg, liebe Li, so ungern ich es tue. Meine Reise kann nützlich sein, verlaß Dich auf meine Tätigkeit und meinen guten Willen, in vier bis sechs Wochen bin ich vermutlich wieder hier. Glaube, liebe, teure Seele, daß ich nicht länger wegbleiben werde, als höchst nötig sein wird. Aber die Pflichten, die man mit einem Posten übernimmt, gehen vor; wie so unendlich froh bin ich, Dich jenseits der Alpen zu wissen. Hier müssen erst Krisen vielfach vorüber sein, ehe man sagen kann, wie es eigentlich sein wird. In Königsberg stand noch vor wenigen Tagen das Thermometer 15 Grad unter Null. Um den Frühling komme ich dies Jahr ver- mutlich, allein da es nur ein hiesiger Frühling ist, mache ich mir wenig daraus. Ich sehe die Kälte einmal als die eigentliche Natur hier an und frage nun nicht mehr danach. Ich gehe vermutlich, damit Du ungefähr mir in Gedanken folgen kannst, nach Frankfurt, wo ich auf der Universität allerlei zu tun habe, dann weiter mit nicht mehr Aufenthalt, als die Besuchung einiger Schulen not- wendig macht, nach Königsberg. Dort soll es fürchterlich lang- weilig sein. Die Leute essen schlecht und lachen gar nicht, und dabei macht man nichts Vernünftiges. Nur aus Heiterkeit und Wehmut entspringt das Wahre und Gute, aber da scheint ein kalter, trockener und uninteressanter Ernst zu herrschen. Einige dort hoffen auf mich und erwarten mich mit Ungeduld, andere tun vermutlich das Gegen- teil, ich werde sehen, was für mein Fach zu tun ist. Mit Ruhe, Besonnenheit und Gewandtheit läßt sich auch unter ungünstigen Umständen viel ausrichten. Den römischen Posten lasse ich, wo- möglich vor dem Herbst nicht besetzen. Es haben sich außer Kunth gemeldet Scholtz [?], der schon absolut als mein Sekretär mit- gehn wollte, und Graf Lehndorff. Ich beschütze einen jungen 128