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[ Band 3 Brief 58: Caroline an Humboldt Rom, 1. April 1809 ]
Habe ich Dir gesagt, daß Lucian *) eine sehr schöne, bekleidete Minerva, der nur der Kopf fehlt in Cassino gefunden hat? Er hat 150 Arbeiter angestellt und läßt sein ganzes Terrain umwühlen. Mein zuletzt gekauftes Basrelief erregt die größte Aufmerksamkeit. Es ist unstreitig, nächst den Torsen, das schönste, was wir haben. Akerblad ist auch vor Verwunderung stehen geblieben. Es ist noch ein Trost, daß er hier ist, aber an die gründliche, stille Kenntnis von Zoëga reicht er nicht von fern. Er ist gleich mit den Sachen ins Reine. Hätte Zoëga gelebt, er hätte einen Traktat über den Pozzo geschrieben, das war seine Absicht. Die endliche Entscheidung unseres Schicksals sah ich voraus und daher hat Dein Brief vom 28. Februar nichts Frappierendes für mich gehabt. Aber desto trauriger. Ich kann die Berge, die Ruinen, die Pyramide, unsere Gräber dort, ich kann die Campagna von Rom, die Straßen, nichts kann ich ansehen, ohne daß es mir nicht einfällt, wie schön wir doch alles zusammen genossen. Er- halte Dich nur, mein teures Herz, in frischem Lebensmut. Ach, alle Menschen werden Dich dort lieben wie hier, wo alles untröstlich ist, Dich fürs erste wenigstens gewiß nicht wiederzusehen. Daß Uhden höchstwahrscheinlich nicht an Deine Stelle kommt, ist gewiß gut. Nicht Neid hat mich verleitet es abzuraten, wenigstens nicht persönlicher, denn freilich beneide ich jeden, der herkommt, aber ein gewisser Respekt und höhere Delikatesse vor denen, die un- glücklich sind. Rauch ist noch immer bettlägerig, wenn ich nicht hiergewesen wäre, weiß ich nicht, was aus dem armen Menschen geworden wäre. Adieu, teures Wesen. ——— *) Lucian Bonaparte, Bruder Napoleons. 125